Es wird in dieser Nacht gar nicht richtig dunkel und aufgrund der Zeitverschiebung um eine Stunde und der Reiserei sind wir jeder erst gegen 1 Uhr in den Hütten. Skandinavische Blockhütten mit einem großen Wohn- und Eßraum und jeweils 2 oder 3 Schlafzimmern. Zwei der von uns belegten Hütten haben einen wunderbaren Blick runter zum Wasser. Es macht den Anschein, dass es ein kleiner See ist, aber es muss ja Meerwasser sein oder zumidest Brackwasser (eine Mischung aus Süß- und Salzwasser), was ein morgendliches Bad beweisst. Das Wasser ist recht frisch und noch etwas salzig. Ålandisches malziges und etwas süßes Brot gibt es zum Frühstück, bevor uns ein Taxi zur Westseite Eckerös bringt. Ich bemerke, wie weit entfernt von der Zivilisation unsere Ferienhütten liegen.
Bengt erwartet uns am Hafen mit seinem Motorboot. Er zweifelt daran, dass wir unser heutiges Ziel, die geteilte Insel Märket erreichen, draußen weht ein Wind mit ca 13Km/h aus der „falschen Richtung“. Man könnte nicht gut an Märket anlanden und es kann sein, dass große Teile der Insel überspült sind. Sehr schade, aber auch verständlich. Er lebt schon ewig hier und wird das Wetter kennen. Auf Märket verpassen wir die gezackte Grenzlinie, einen Leuchtturm und wahrscheinlich jede Menge Seehunde, die man auch hören könnte, wenn es nachts und ganz still wäre. Beides ist nicht der Fall. So fahren wir aber mit dem Boot nach Enskär, einer kleinen bewohnten Insel nicht ganz so weit westlich draußen im bottnischen Meerbusen.
Enskär – eine Schäre
Über weiße Schaumkämme auf mittleren Wellen düsen wir auf die Insel zu. Alles sind froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, als wir anlanden und aussteigen. Alles sieht ganz zivilisiert aus, jedoch erzählt uns Bengt, dass die Häuser auf dieser Grenzinsel nicht mehr benutzt oder bewohnt werden, als einziges steht und arbeitet noch ein großer Funk- und Radarturm. An den Häusern stehen jeweils Jahreszahlen aus der Zeit 1940 bis 1980. Ich laufe um die wenigen Häuser und wage mich immer weiter auf die Felsen, zwischen denen Heidekraut wächst, hervor. Bis das brausende Meer an den Felsen zu sehen ist. Am Horizont ist ein weißes Fleckchen zu erkennen, die Insel Märket, die wir eigentlich besuchen wollten, dessen Leuchtturm man auf 12 Kilometer Entfernung sieht. Ich konzerntriere mich lieber auf die kleinen Details nah zu meinen Füßen. Erstaunlich wie sich jede erdenklich skandinavische Pflanze ihren Weg in die Granitspalten gebahnt hat: Walderdbeeren, Moltebeeren, Wollgras, Schnittlauch, Zitronenmelisse, Heidekraut… Eine wahrlich wilde Mischung. Bengt schlendert auch über die Felsen und ich stelle mich ihm in den Weg und sprudel mit Fragen los. Wir kommen auf mein Lieblingsthema, den Winter, zu sprechen. Ob das Meer hier schon mal zugefroren war? Ja, er wäre schon mal mit dem Traktor hierher gefahren. Und 1950 sei wohl mal jemand zwischen den Ålandinseln von Finnland nach Schweden und zurück gefahren – alles dicht. Sonst halten große Eisbrecher die Fahrrinnen frei. Nun ja, und auch Menschen hier bekommen ein Leuchten in den Augen, wenn sie vom Schneescooterfahren in Lappland berichten. Man stelle sich einen agilen, geschäftstüchtigen Finnen vor, der mir in fließendem Deutsch erklärt, dass er letzten Winter mit zwei Scooter Freunden in einer Erdkota übernachtet hat, als sie Feuer machten, schmolz soviel Schnee, dass es überall herein tropfte… Outdoor bis zum GehtNichtmehr. Was er noch über das entfernte Märket erzählt, klingt wie ein Märchen: bei großen Stürmen bewegen sich große Gesteinsbrocken, mehrere Tonnen schwer, über die Insel und hinterlassen eine Spur, natürlich ganz langsam, bei jedem Sturm ein bißchen.
Ein paar Momente auf der Insel sind so verführerisch, dass Vorstellungen vom Überwintern auf einer Ostseeinsel in mein Hirn dringen. Jedoch sitzen wir dann vom Wind geschützt im hohen Gras zwischen den wenigen Häusern und trinken Kaffee – gemütlich. Vielleicht sollte man doch erstmal mit dem „Übersommern“ anfangen. Im Gegensatz zum Wildpark gibt es auf dieser Insel keine Tiere. Deshalb fahren wir das Kontrastprogramm:
Vildsafari
Ein Traktor, ein Ranger, ein Hänger voller Touristen – am zweimeterfünfzig Maschendrahtzaun, sind noch keine Tiere zu sehen, als uns der Ranger ermahnt, nicht während der Fahrt aufzustehen und schön die Hände drin zu lassen – klingt echt gefährlich. Wir tuckern los und tatsächlich sehen wir hinter der nächsten Wegbiegung großes Rotwild. Majestätisch kommen die 2Meter großen Tier näher und den Samt auf dem Geweih möchte man eigentlich unbedingt streicheln. Ein paar Wegbiegungen weiter sehen wir Bambi mit Familie und später Elvis junior und Senior, knuffige Wildschweine. Angblich zerstören sie auch gerne Kameras und Telefone, also nichts durch den Zaun stecken. Angblich ganz dumme Tiere sehen wir am nächsten Zaun. Ein Straußenhahn mit seinen Hennen wird Zirkusmäßig vorgeführt und darf einem Gast Gras vom Kopf fressen. Dann haben wir schon alle Tierarten hier gesehen und erinnern uns lieber an den Elch, der an unser Ufer durch den Sund kommen wollte – gerade als wir von der einsamen Insel kamen. Wahrscheinlich ein einjähriges Elch Mädchen – oder sind so kleine Tier schon Elch Kühe? Fahrradfahren auf den Åland Inseln
Annica von Visit Åland erzählt, dass die meisten Touristen die Inselgruppe mit dem Fahrrad und Zelt bereisen. So gibt es einige schöne Zeltplätze und auch Ausleihstationne für Fahrräder. Wir probieren es aus, wenn auch nur für einen kurzen Weg zum Post und Zoll Haus Museum, Hinweg: Rückenwind und Bergauf, Rückweg mit Gegenwind Bergab – ich weiß nicht, was besser war, vermute aber, dass man auf den Inseln irgendwie immer mit Wind zu kämpfen haben wird. Dafür gibt es keine nennenswerten Berge, die man erradeln muss. Wir machen eine Kaffeepausen und genießen homemade Gingerlimonade, im Abgang scharf und eine Mercedes Praline mit Sandorn (Havtorn, schwedisch), der ist hier nämlich auch heimisch und typisch. Die Chocolaterie befindet sich auf dem Hof des Postmuseums und wird von einer Dame namens Mercedes geführt. Reingehen lohnt auf jeden Fall, auch mal, um nur zu schnuppern. Das einzige, was mich im Museum neugierig macht, ist der Fakt, dass es auf den Åland Inseln eigene Briefmarken gibt…. in Zeiten von email und co, werden die sicher auch ganz wertvoll sein und ich träume mich zurück in meine Kindheitstage, an denen ich Briefmarken in meinem kleinen Album sortiert habe und frage mich, ob das Hobby für meine Kinder interessant wäre, oder ob Briefmarkensammeln schon etwas antiquiertes hat. Wir radeln zurück zur Ausleihstation und fahren dann mit dem Auto wieder nach Eckerö.
Für alle Sinne
Dort heize ich schnell die Holzsauna ein und hoffe, daß sie noch vor dem Abendessen zum Saunieren einlädt. Es ist stürmisch, wir sind durchgefroren vom Tag auf dem Boot, auf dem Rad, immer draußen… Tatsächlich ist es nach einer halben Stunde, wie das Feuer brannte, warm genug, um mit ein paar Aufgüssen zu schwitzen. Das kleine Saunahäuschen steht am Strand, hat schon bessere Tage gesehen, erfüllt aber seinen Zweck – back to the roots. Wir stürzen uns ins wellige Brackwasser, was vielleicht so 12 bis 15 Grad hat. Genug um ein paar Schwimmzüge zu machen und dann wieder ins Warme zu eilen. Von einem Cateringservice gibt es dann: Ålandisches Brot, geräucherten Lachs, Heringshappen, Lammbouletten und als Dessert natürlich Kladdkaka – klebrige schokoladigste Schokokuchentorte. Fußball interessiert mich nicht sonderlich, andere aber schauen mit Begeisterung, das erste Spiel der diesjährigen WM mit schwedischen Kommentaren.
In den Hütten gibt es Satellitenfernsehen – schwedische und Finnische Kanäle – in einer angeblich auch deutsche Kanäle.
Der Besuch der Inseln fand im Rahmen einer Pressereise auf Einladung von Visit Åland statt. Vielen Dank.