Die Fahrt ins Weltkulturerbe Laponia
27.12.2004: Nach der großen Rückgabe von fast all unserem Ski-Equipment brechen wir auf Richtung Stora Sjöfallet, denn Thomas hält es heute für ungefährlich, hierher zu kommen. Wir fahren von Gällivare ein Stück auf der E45 Richtung Jokkmokk und biegen dann in eine kleinere Stichstraße für weitere fast hundert Kilometer Richtung Nord Westen ein. Die Straßen sind alle prima geräumt nach den 60 cm Schneefall gestern. Ich kann mir vorstellen, dass es mit dem Sturm auch ganz schöne Schneeverwehungen gab. Es ist zwar sogenanntes Tageslicht, doch wird es immer schwieriger vorausschauend zu fahren und die Rentiere am Straßenrand zu identifizieren. Am Anfang halten wir noch öfter an, um sie zu fotografieren. Sie scheinen gar nicht scheu zu sein und graben genüsslich im Schnee nach essbaren Pflanzen. Alle Rentier-Kenner sagen uns, dass es für sie bei dem weichen Schnee kein Problem ist, Nahrung zu finden, nur wenn eine Schicht vereist.
Wir erreichen nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt durch die Wildnis und Mountain Station Stora Sjöfallet gegen 1230. Thomas ist auch Familienvater (3 Kinder) und hat daher unser Bedürfnis nach einem Mittagessen vorher gesehen und schon sitzen wir vor unseren Tellern. Toll. Ein kleines Programm hat er auch vorbereitet, doch erstmal sitzen wir vor dem großen Kamin zusammen, genießen das prasselnde Feuer und Thomas erzählt wie er zu dem Hotel kam (er ist schließlich erst 31) und was alles so geboten wird. Einzigartig ist, das Stora Sjöfallet wirklich im Nationalpark liegt, nicht, wie einige Unterkünfte nur in der Nähe. Der Nationalpark war übrigens der Zweite der je als solcher gemeldet wurde, gleich nach dem Yellowstone in den USA (ich glaube 1909). Die letzte echte Europäisch Urwildniss umgibt uns. Eine Landschaft geprägt von den Sami, die solange unterdrückt jetzt wieder Stolz auf ihre Herkunft und Vergangenheit sind.
Das Naturum in Stora Sjöfallet
Diese Kultur findet Würdigung im Naturum, unserem ersten Ausflugsziel gleich gegenüber. Ein architektonisches Meisterstück mitten in der Wildnis. Hier kann man viel über das Leben der Sami in und mit der Natur erfahren.
Jedes Detail in dem Gebäude ist speziell. Angefangen von den dominierenden Materialen Holz und Glas bis zu den Sichtachsen und Anordnungen im Raum. Es gibt grau lasiertes Holz, wie die Farbe des Treibholzes aus den Gewässern. Es gibt schlichte feine Metallstühle deren Flächen mit Rentierleder bezogen sind. Und eine Feuerstelle um die man im Kreis sitzt, die Dimensionen sind wie in einem samischen Lavvu. Die Ausstellung ist schlicht Design, die Technik ist sensationell. Während wir an der Feuerstelle sitzen, schließen wir die Augen und hören Rentiergetrappel, Rufe, Pfeifen, Wind, spüren den Boden vibrieren – eine perfekte Inszenierung. Diese Gebäude wird es kein zweites Mal geben, es ist an diesen Ort angepasst, wie aus ihm heraus geboren. Bei Tageslicht umschließen die Berge sanft diese Stelle am Wasser. Selbst unsere Tochter findet das Wort majestätisch dafür. Ein Weg aus Holzplanken führt in die Natur und es ist eine Freude, dieser Einladung zu folgen.
Passend dazu fahren wir anschließend 45 min. zu einem alten Sami namens Parerik. Thomas dichtestem Nachbar – es gibt eben nicht viele Bewohner hier draußen. Nach einer herzlichen Begrüßung sitzen wir bald auf einem Schlitten der hinter einem Snowmobil älterer Bauart hergezogen wird. Nach zehn Minuten fahrt sind wir mitten im Wald an einer echten Quelle. Trotz der Temperaturen (etwa -17) ist das Wasser hier flüssig und sprudelt aus dem Boden. Ein heiliger und alter Ort wie uns Parerik erklärt. Das Wasser hat heilende Wirkung bei äußerer wie innerlicher Anwendung. Warum, wisse er auch nicht. Das ist einfach so. Er weiß darum seit Generationen. Wir trinken alle davon und dürfen dann einem echten traditionellen Joik Gesang lauschen, den er hier immer anstimmt. Eine Ehre und sehr berührende Situation als alle Headlights ausgeschaltet werden und nur die Klänge und die Kälte den direkten Weg zu uns finden. In dem Joik besingt er die Quelle und bedankt sich bei den Geistern, dass es sie gibt. Man könnte sagen, er ist ein Schamane. Als ich ihn darauf anspreche, erklärt er, dass es merkwürdig sei, wenn er sich selbst so nennen würde. Den Titel Schamane können einen nur andere verleihen.
Wir fahren durch die eiskalt erstarrten Landschaften zurück und sitzen dann gemeinsam in Pareriks Kåta am Lagerfeuer, trinken Kaffee und essen kleine Rentiersteaks. Gemütlich. Wir vergessen fast die Zeit, die Kinder wollen sich bewegen und spielen mit dem Hund draußen im Schnee.
Bald müssen wir aber wieder aufbrechen. 45 min. zurück durch die Dunkelheit, immer aufmerksam fahren das nicht doch ein Rentier vor unser Auto läuft.
Zurück in Stora Sjöfallet toben die Kinder erstmal mit Thomas Kindern zusammen ihren Bewegungsdrang ausgiebig aus. Da wir die einzigen Gäste sind (zwischen den Jahren ist sonst zu) stört sich auch keiner an dem Geschrei, das die Kids veranstalten während sie fangen spielen. Dann gibt es edles Elchsteak und anschließend gehend wir satt und voller Erlebnisse in die vorgeheizte Saune. Wir essen Sarek Moose. Einer der angrenzenden Nationalparks ist der Sarek Nationalpark, zugehörig zum World Heritage Laponia. Das Sarek Moose darf dort nur von echten Sami geschossen werden. Thomas ist natürlich auch Jäger und hat es erlegt.
Während alle völlig erschöpft in die Betten sinken, geht Geertje nochmal auf Fotosafari.
Sie bringt tolle Bilder von Sternen und sogar ein paar kleine Nordlichter zurück. Fern ab jeder Zivilisation gibt es doch mehr Stern zu sehen, als man es sonst gewohnt ist.
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