Im ersten Teil meines Berichtes über die Skitour in der Hardangervidda erzähle ich etwas über den Weg und die Ankunft in Norwegen, und die ersten Gehversuche im Schnee, nein ich lasse erzählen. Hin und wieder mal dürfen hier Gastautoren schreiben – natürlich über gemeinsam erlebte Abenteuer. Heute ist Christian an der Reihe und schreibt, wie er das Abenteuer mit mir im Schnee erlebte.
Reisetagebuch von Christian Reif, Eintrag, 02.04.2016/10.06 Uhr
Fährüberfahrt Hirthals –Langesund
Vorbereitungen zur Abfahrt in die Hardangervidda
Nach einem unruhigen Schlaf von 4 Stunden schäle ich mich aus dem mollig warmen Bett mit dem Wissen, dass diese Schlafstatt für gut 10 Tage brach liegen wird.
Noch einmal wird die 90 L –Tasche auf Ihren Inhalt überprüft. Klopapier-ja das fehlt- aber da wird schon Jemand etwas haben.
Punkt 9.00 Uhr rollt mein kleiner Schwarzer in Schlicht(Mecklenburg/Feldberg) vom Hof, bepackt mit einem aufgeregten „Nochvierundvierziger“, Ski und Polarboots sowie einer Tasche, die von Equipment überquillt. Sachen im Wert einer 3stelligen Summe,welche ich vor 4 Wochen noch gar nicht besaß bzw. glaubte diese anschaffen zu müssen. Teleskop- Aluschneeschaufel, Super 500 Ansi-Lumen-Langzeit-Akku-Headlight, Gortex-Handschuhe, welche beim Anziehen in Plusgraden sofort die Hände schwitzen lassen, Allwetter – cold and warm Protection-Creme und noch mehr sonderlich klingendes Zeugs. Vor allem viel Wolle- wo ich doch so kratzempfindlich bin- doch Merino juckt wirklich nicht. Atmungsaktiv und warm in allen Schichten, so das große Kaufmotto der letzten Vorbereitungstage.
Zu guter Letzt die Überlebensration selbstgebackener Eiweißbrocken nicht zu vergessen;)!
Nach 2 ½ Std Fahrt und Stau durch Berlin wartet Geertje(meine vertraute Reisebegleiterin vor Ihrem Atelier in Potsdam Babelsberg. Beim gemeinsamen Essen tauche ich in die aktuelle Zeitschleife der nordicfamily ein und kann mich bei folgendem Kaffee und Muffin auf eine osteopathische Betreuung von Jan(Ihrem Mann) und beim Spiel auf den jüngsten Forscher der Familie, Morten einlassen.
Geertje und ich bündeln unsere Aufregung in’s gegenseitige Ausrüstungs-checken und Gackerei über ein zu viel, zu wenig und zu schwer.
Zu dieser Zeit entflammt die Potsdamer-Aprilsonne Ihre geballte Kraft und bei 15Grad im Schatten strömen die Babelsberger zum Italiener an der Ecke für ihr erstes Eis.
Unser gemeinsamer Traum von einem Eis sieht ganz anders aus, denn schon in der Anfahrt zum Treffpunkt für die Tour – Mitglieder diskutieren wir angeregt über die Schneeskulptur- Ideen und das Handwerk im Eis.
Gegen 19.00 Uhr erreichen wir im Norden Potsdams ein Häuschen im Grünen, den Wilfried Korth- Hof. Und eben dieser liegt voll mit buntem Krims-Krams. Ski, Packsäcke, Ausrüstung für “was weiß ich“ und der rote Transporter, eines unserer Tour- Mobile, wird gestopft wie eine zu kleine Weihnachtsgans mit zu vielen Backpflaumen.
Äußerst angenehm und unkompliziert werden wir vom mehrmaligen Grönlandexpeditionsleiter und Durchwanderer selbst sowie Robert, Thomas und Ingrid empfangen. Letztere reiste extra aus München für die Skitour in der Hardangervidda an und war, wie wir später erfahren schon 1 Jahr lang an der Westküste Grönlands im „Roten Haus“ tätig. Nein, keine einschlägige Spelunke, sondern der Ausgangsort vieler Expeditionen aufs ewige Eis und die Heimstadt von Robert Peroni-dem Südtiroler Grönlandexperten!
Nachdem der Laster sein Fassungsvermögen erreicht, gibt es Zeit für Selbstgebackenes und ein Tässchen Tee, der vertraute sächsische Dialekt(meine Mutter Mansfelderin/Vater aus dem Erzgebirge)des Großteils der Crew, lässt die Atmosphäre am Tisch „heimelich“ werden und Wilfried und Thomas erfrischen das Warten auf die Berliner Teilnehmer(welche Tourmobil 2 stellen) mit Polar-Anekdoten aus den vergangenen Jahren und Insiderwissen zuWetter, Ausrüstung bzw. Expeditionsgeschichte.
Robert richtet in seiner ruhigen Art gewissenhaft alle GPS- Geräte mit Kartenmaterial aus und Ingrid rundet das ganze mit Trailgeschichten aus Island ab. Ich lausche ehrfürchtig staunend und freue mich über Geertje, die fast jeden beschriebenen Nordwinkel aus eigener Erfahrung kennt und beachtliche Details liefert.
Eines wird schnell klar, ich bin mit freundlichen und jeweils auf Ihrem Gebiet erfahrenen Menschen unterwegs.
Sissi, eine Polarkreis- Spitzbergen erfahrene Studentin der Geowissenschaften stößt aus Potsdam zu uns. Die Frauenrunde ist komplett und versteht sich prima und als auch
Berlin auftaucht, Jürgen(Fotograf), Jörg(Wechselzelt) und Steffen(Lapplandreisender), werden gegen 22.00 Uhr beide Transporter randvoll mit Pulken, Kites und sonstigem Winterzeltequipment sowie der Wochenration Essen befüllt. Pünktlich rollen wir in Richtung Norden, nach Skagen vom Hof um die Fjord Line Fähre in Hirthals zu erreichen, welche uns innerhalb von 4 Stunden an die Südspitze Norwegens schippern soll.
Was haben wir 10 eigentlich Anfang April, wo sich Deutschland doch gerade mit Gartengerät und ersten Grillabenden auf den warmen Frühling vorbereitet, vor?
Die Hardangervidda
– die soll es sein- Norwegens Plateaufjell und Europas größte Hochebene.
Mit einer Fläche von zirka 8.000 km² und im Mittel einer Höhe zwischen 1200 m und 1400 m erstreckt sie sich über die Bereiche der Fylke Buskerud im Nordosten, Hordaland im Westen und der Telemark im Südosten. Ja genau, Letztgenannte gab der anmutigen Skiabfahrtsform ihren Namen.
Dieses Ski-Tour Paradies, eine Schnee – und Eiswüste ermöglichte Hollywood die Aufnahmen zu Episode V – „Das Imperium schlägt zurück“; Planet Hoth liegt also am Gletscher Hardangerjøkul. (ohne Jan- Geertjes Mann und Sci Fi Experten, wüsste ich das auch nicht;)Nahe Finse, dem höchstgelegensten Bahnhof in Europa.
Genug der Superlative; uns soll diese Weite den Eindruck von grönländisch ewigem Eis vermitteln und unsere Strategien zum Fortbewegen, Übernachten und natürlich Spaßhaben
in Kälte und Monotonie überprüfen.
9 Tage soll das große weite Weiß uns verzaubern und Modell stehen für Foto und Film, unsere Winterzelte aufnehmen(Jörg, bitte das nächste Mal 4 Jahreszeiten-Zelte;) und auf Robustheit in Kälte und Sturm testen, unsere Ski und Pulken weich führen und die Kites mit günstigen Winden blähen.
Arktisches Training, Vorgeschmack auf kommende Expeditionen in den hohen Norden, Grönland, den Südpol… alles ist möglich.
Ich wünsche mir eine homogene und intensiv arbeitende, aber auch entspannt lachende Truppe. Einsichten und Ausblicke, welche mich in eine mir bisher unbekannte Welt entführen und tief im Herzen bewegen.
Schwärmerei tut gut und wiegt sich im Rhythmus des leicht rollenden Fährschiffsrumpfes.
Die Fahrt dauert an und noch ist Zeit für ein richtiges Klo, eine Tasse Tee und das Lesen von Geoartikeln zu den großen Entdeckern. Zeit den Blick über die ruhige See schweifen zu lassen. Ein ständiges Dahinfließen- die Zeit- niemals stillstehend wie unsere Herzen, getrieben von Neugier und Liebe.
Meines schlägt nun schneller, in Erwartung des Abenteuers- Träume von Übermorgen ziehen vor mein geistiges Auge, mein Körper gebettet in einem Sessel in lethargisch gebremster Fährloungestimmung.
Hier schreibe ich, Geertje, weiter
Ankunft in Norwegen
Nach Ankunft der Fähre in Langesund bleibt und der Nachmittag, um eine kleine Hütte in Geilo zu erreichen. Knuts Hyttgrend heißt die kleine Hüttenanlage mit Blick übers Fjell.
Aussicht – Utsikkten – so auch der Name unserer Hütte, die uns noch eine Nacht Herberge bietet.
das Feuer im Kamin wird angezündet und als sich langsam eine wohlige Wärme ausbreitet, liegen Landkarten auf dem Tisch und kundige Männer planen den Weg durch Schnee und Eis. Auch in den vergangenen Jahren bereitete sich die Grönlandcrew um Wilfried Korth auf die Transversalen vor, indem sie hier in der Hardangervidda trainierten.
Mir selbst ist noch nicht richtig klar, welches Titel und welches Untertitel ist „Arktistraining – eine Woche für Freunde des entspannten Skiwanderns“
In der urigen Hütte am Rande der Hardangervidda findet jeder seinen gemütlichen Schlafplatz. Ich treibe mich noch ein wenig draußen herum, die Nordlicht App hat Alarm geschlagen. Tatsächlich habe ich Jagdglück und freue mich riesig, mein schweres Stativ nicht umsonst mitgeschleppt zu haben.
Ich freue mich sehr, meine Aufgeregtheit und Unsicherheit, ob ich die Strapazen eines Arktistrainings durchhalten kann mit meinem Freund Christian zu teilen.
Wie alles weitergeht, wie schwer das Pulkaziehen wirklich war und wie man ein Schneeklo baut, schreibe ich im zweiten Teil.
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