Schneeskulpturen in Potsdam Babelsberg

Eine Foto Love Story über Schneeskulpturen in Potsdam – Text von Anna Laura Jacobi / Fotos Geertje Marquardt

Der Wind pfeift, das Dach knackt und knirscht in der klirrenden Kälte. Schon die zweite Nacht in Folge tobt ein Schneesturm, wie ich ihn schon seit Jahren nicht mehr erlebt habe. Was klingt, als würde es hoch im Norden stattfinden, hat unser zu Hause fest im Griff. Wir können nicht verreisen, also bringt uns Tief Tristan den Winter frei Haus.

Schnee und Eis in Potsdam

Ein Polarwirbel ist schuld. Vor zwei Wochen haben wir den letzten Salat der Saison geerntet, jetzt schnappt sich der Wind den pulvrigen Schnee, lässt ihn tanzen, wirbelt ihn auf und vergräbt Straßen und Wege unter  Schneedecken.

Auf meinem Weg ins Atelier fällt es mir schwer, die Augen aufzuhalten. Das ungewohnte Wetter erinnert mich an einen Sandsturm, den ich im Orient erlebt habe. Der Wind wirbelt kleinste Sandkörnchen in die Augen, so dass man kaum sehen kann. Hier fegt der Wind mir winzig kleine Schneeflocken in die Augen. Eine ähnlich unangenehme Erfahrung. Sie stechen wie Miniaturpfeilspitzen. Immerhin bestehen sie aus Wasser und man muss sich die Augen nicht auswaschen.

Atelier Gemütlichkeit mit winterlicher Aussicht auf die nächsten Tage

Vom Atelier im Guido-Seeber-Haus in der Medienstadt Babelsberg aus genieße ich das Wetter. Ich beobachte, wie die Schneedecke kontinuierlich höher wird und irgendwann legt sich der Sturm. Die Straßen sind weiß, Autos fahren nur in Schrittgeschwindigkeit und Räumfahrzeuge kommen tagelang kaum hinterher. Ich bin ganz aufgeregt. Eine weiße Winterlandschaft direkt vor meiner Nase! Als notorische Frostbeule (ich bin mehr der Hitze-Sonne-Süden-Wüste-Typ) habe ich eine solch märchenhafte Verwandlung das letzte mal vor über zehn Jahren erlebt. Und natürlich durch Geertjes Erzählungen, wenn sie aus der Wintersaison zurückkommt, mit tausenden Fotos von Schneeskulpturen und Geschichten im Gepäck. Aber live und in … weißer Farbe ‒ ich bin begeistert. Schneeskulpturen in Potsdam lautet unsere Mission.
Voll kindlicher Freude schlürfe ich den heißen Tee und kann gar nicht genug vom Anblick da draußen bekommen. Und mir wird klar, ich muss eine Schneefrau bauen. Oder noch besser, eine Schneeeule.

Schneeskulpturen in Potsdam werden Wirklichkeit

Und dann stellt Geertje die Frage, die unsere kommende Woche komplett auf den Kopf stellt – was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht annähernd ahnen. Sie fragt, ob wir vor unserem Atelierfenster eine Schneeskulptur zusammen bauen wollen.

Klar will ich. Und ob! So oft schon hat Geertje uns im Atelier von ihrer Arbeit mit Schnee erzählt. Es endlich selbst zu erleben, das kann ich mir nicht entgehen lassen.

Magische Verwandlung von Pulverschnee in eine feste Form – Schneeskulptur Rohling

Am nächsten Tag bringt Geertje eine alte Regentonne mit, der sie den kaputten Boden ausgeschlagen hat. Sie ist ideal, um dem pulverigen Schnee Form zu geben. Ich schaufele, Geertje klettert in die Tonne und stampft den Schnee. Es erinnert ein wenig an das Stampfen von Weintrauben zur Weinlese. Es dauert nicht lang, da ist die Tonne bis oben gefüllt mit gepresstem Schnee. Doch noch können wir nicht anfangen. Der Schnee muss über Nacht in der Tonne etwas zusammen frieren. So bekommt er eine größere Stabilität.

Schneeskulpturen in Potsdam Anna Laura Jacobi
Skulptur von Anna Laura Jacobi vor dem Guido-Seeber Haus in Potsdam illuminiert

Als ich am nächsten Tag im Atelier eintreffe, hat Geertje die Tonne schon vom Schnee gelöst. Vor unserem Fenster steht ein perfekter Schneeskulpturenrohling. Eine konische Form in blütenweißer Pracht.

Werkzeug für die Bearbeitung der Schneeskulpturen in der Medienstadt Potsdam

Das Werkzeug liegt bereit. Einige der Geräte kenne ich von Geertjes Fotos, andere habe ich noch nie gesehen. Neben einfachen Sägen und selbstgemachten Raspeln erklärt Geertje mir kurz, wofür die Werkzeuge sich jeweils am besten eignen. Ich kanns kaum abwarten endlich loszulegen. Auf Pinterest zeigt mir Geertje ein paar Ideen, die sie gerne ausprobieren würde. Abstrakte geometrische Formen, die mir für den Anfang gut machbar erscheinen. Mit dem Finger zeichne ich auf die obere Fläche ein verzerrtes Viereck ein, dann gibt mir Geertje den Tipp, mit der Säge so nah wie möglich an der endgültigen Form zu arbeiten. (Anm. der Red. : „working close to the final shape“ war ein Lehrsatz meines Kanadischen Freundes Walter) Sie muss noch ein paar Anrufe erledigen, daher fange ich alleine an.

Schneeskulpturen in Potsdam Eule Anna Laura Jacobi
Eulenskulptur von Anna Laura Jacobi vor dem Guido-Seeber Haus in Potsdam illuminiert

Subtraktives Arbeiten an einer Schneeskulptur vor dem Atelier

Zunächst säge ich zögerlich. Ich habe noch nie an einer Skulptur gearbeitet, an der Material abgetragen werden muss. Die Angst, zu schnell zu viel abzusägen, lässt sich nicht leugnen. Doch schon nach ein paar Schnitten merke ich, die Säge geht durch den festen Schnee wie durch Butter. Es lässt sich fantastisch bearbeiten. Zusätzlich verwende ich noch eine Art großen Stechbeitel. Mit dem kann ich die gesägten Stücke hervorragend vom Rohling abtrennen.

Und es dauert nicht lange, da steht vor mir ein Quader ohne rechten Winkel. Mit einer Art Verputzerkelle oder Reibebrett schleife ich die vier Kanten des Quaders glatt und mit einem von Geertje selbstgebastelten Werkzeug raspele ich runde Stücke aus den Kanten des Quaders. In alle Richtungen fliegt mir das abgeriebene Schneepulver um die Ohren, meine Jacke wird weiß, meine Stiefel sind schneebedeckt und an meinen Handschuhen kleben Eisstückchen, als hätte ich mich stundenlang im Schnee gewälzt. Ich bin durchgefroren aber glücklich.

Schneeskulpturen in Potsdam Werkzeug

Für den ersten Tag habe ich genug am Schnee gearbeitet. Doch damit auch Geertje noch ein bisschen am Schnee schnitzen kann, füllen wir kurzerhand noch eine zweite Tonne mit Schnee.

Schneeskulpturen in Potsdam Guido-Seeber-Haus
Eisbergskulptur von Ulrike Barth-Musil vor dem Guido-Seeber Haus in Potsdam

Am nächsten Tag lässt sich Ulrike von der Idee mitreißen, Schneeskulpturen in Potsdam zu erschaffen. Während ich an Details an meiner Schneeskulptur arbeite, beginnt sie, drei Berge aus dem zweiten Rohling zu schnitzen. Und im Schneeskulpturenrausch füllen wir die folgenden Tage weitere Tonnen mit Schnee. Geertje testet in dem für sie eher kleinen Schneeblock etwas aus, was sie vielleicht mal in groß schnitzen möchte. Ich traue mich bei meiner zweiten Skulptur an etwas Figürliches.

Herausforderung Sonnenschein

Schneeeulen sollen es werden. Nach ein paar Skizzen auf Papier schneide ich die grobe Form der drei Eulen von oben nach unten aus dem Schneeblock. Und je mehr ich die Form aus dem Schnee schäle, umso mutiger werde ich. Trotz Minustemperaturen wärmt mir die Sonne den Rücken. Und ich merke die Sonne auch an der Konsistenz der Eule. Der Schnee ist bei ihr nicht perfekt fest sondern wird zunehmend matschiger und weicher. Und das, obwohl die Temperaturen tagsüber immer noch bei -10°C liegen. Doch die Figur hält.

Schneeskulpturen in Potsdam Medienstadt
Schneeskulpturen Garten in Potsdam auf dem Filmgelände

Inzwischen ist es Wochenende, doch das hält uns keineswegs vom Arbeiten ab. Wir schleifen und schaufeln, sägen und raspeln und füllen weitere Tonnen. Als Künstlerinnen durch und durch wollen wir unsere Schneeskulpturen am Montag, dem letzten wirklich kalten Tag, live für Interessierte und Gäste eröffnen. Natürlich alles mit Abstand und coronakonform. Kein Problem an der frischen Luft. Immer mehr Interessierte bleiben auch jetzt schon am Zaun stehen. Halten inne, machen Fotos, schauen uns bei der Arbeit zu. Denn noch sind wir nicht fertig.

Schneeskulpturen in Potsdam Kirschgrün Zone
Vergängliche Kunst aus Schnee mit Anna Laura Jacobi, Ulrike Barth-Musil und Geertje Marquardt

Vernissage mit Schneeskulpturen in Potsdam

Am Montag ist es endlich soweit. Ein paar Ausbesserungen müssen wir noch vornehmen, dann steht unser Schneeskulpturen-Garten für die Gäste bereit. Mit kleinen Gläsern aus Eis stoßen wir auf unsere Ausstellung an, während den ganzen Tag vereinzelt Besucher durch unseren Garten schlendern. Eine Besucherin erzählt uns begeistert, ihre Tochter hätte sie auf den Artikel in der Zeitung aufmerksam gemacht (die Presse war bereits am Wochenende da).

Schneeskulpturen Kultur in Potsdam

Und da doch momentan alle Museen geschlossen seien, wollten sie endlich wieder etwas Kultur erleben. Wir sind stolz und gerührt, denn wir spüren die Energie und Begeisterung der Besucher. Etwas, das uns das letzte Jahr gefehlt hat. Mit Gästen ins Gespräch kommen, über Kunst reden, gemeinsam (mit Abstand) lachen. Geertje hat uns in dieser Woche einen Teil ihres Lebens nahe gebracht. Gemeinsam haben wir das, was wir bisher nur von Fotos kannten, erleben dürfen. Was wir in der kurzen Zeit gemeinsam geschaffen haben ist unbeschreiblich. Das Glücksgefühl hält bis heute an.

… und ich überlege ernsthaft, mich mehr gegen Kälte abzuhärten, um Geertje doch einmal im Winter in den Norden zu begleiten, und gemeinsam im Team an einer großen Schneeskulptur zu arbeiten.

Schneeskulpturen in Potsdam
Schneeskulptur von Geertje Marquardt vor dem Guido-Seeber Haus in Potsdam
Schneeskulpturen in Potsdam Familienskulptur
Skulpturengarten aus Schneeskulpturen vor dem Guido-Seeber Haus in Potsdam
Schneeskulpturen in Potsdam Eingang GSH
Schneeskulptur von Anna Laura Jacobi vor dem Guido-Seeber Haus Eingang in Potsdam
Schneeskulpturen in Potsdam Geertje Marquardt

Schneeskulpturen im Potsdamer Vorgarten

Schneeskulpturen in Potsdam  Murmelbahn
Murmelbahn aus Schnee
Schneeskulpturen in Potsdam verdreht
Schneeskulptur in Potsdam von Geertje Marquardt
Schneeskulpturen in Potsdam Mini Format
Schneeskulptur von Geertje und Merle Marquardt in Potsdam
Schneeskulpturen in Potsdam Vorgarten
Schneeskulptur im Vorgarten illuminiert

Zu den Webseiten der Künstlerinnen

Anna Laura Jacobi

Ulrike Barth-Musil

Geertje Marquardt

Hier findest du noch ein Live Video von unserer Vernissage direkt bei den Schneeskulpturen in Potsdam.

Geertje

Geertje schreibt und fotografiert auf Reisen gerne, um diese intensiven Momente des Lebens festzuhalten. Sie möchte diese wunderbare Welt auch ihren Kindern zeigen und reist deshalb am liebsten als Familie in den Norden. Schön ist es, wenn Bilder und Texte auch andere Familien zum Reisen inspirieren.

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