Es ist der 21. März und mich erreichen Horrornachrichten über den Klimawandel beim Snowking in Yellowknife in den NWT Kanadas, so warm war es die letzten 20 Jahre im März nicht. Das Snowcastle schmilzt, die Schneeskulpturen sind gerade mal drei Wochen alte und werden zu breiigen Slush.
Die Bilder sind wirklich traurig anzusehen. Am Snowcastle hat eine Crew von Menschen den ganzen Februar gearbeitet, kreative Ideen umgesetzt und mit viel Schweiß Schnee geschippt. Nicht zuletzt sind wir, Künstler aus allerWelt angereist, um das Umfeld mit Skulpturen zu verschönern.
Normalerweise wird das Snowcastle des Snowking den ganzen März über bespielt. Konzerte, Wettbewerbe, Feierlichkeiten sind hier angesagt. Diesmal jedoch wird es nach zwei Wochen nur noch für Abendveranstaltungen genutzt und tagsüber geschlossen. Nach der dritten Woche wird es vollkommen geschlossen, weil es einsturzgefährdet ist.
Die Arbeit des deutschen Teams am Snowking Castle in Yellowknife
Nachdem ich die Nachrichten aus Yellowknife über das Schmelzen des Snowcastle verdaut habe, erinnere ich mich an die Tage an denen wir die Schneeskulpturen erschaffen haben. Eine ganze Crew von Künstlern reiste vor einem guten Monat vom Festival du Voyageur in Winnipeg in die North West Territories Kanadas. Schon in Saint Jean Port Joli und in Winnipeg hatte ich in diesem Jahr Schneeskulpturen erschaffen. Immer war ich mit befreundeten Künstlern unterwegs. Diesmal sind Theressa Wright eine erfahrene Schneebildhauerin aus Saskatchewan und Jodine Leigh aus Winnipeg in meinem Team. Auch aus Winnipeg ist es noch eine lange Anreise nach Yellowknife. Zunächst fliegen wir früh am Morgen von Winnipeg nach Calgary.
Aus dem Flugzeug sehe ich am Horizont die mächtigen Rocky Mountains. Sie sind schneebedeckt und hier im Nordwesten Kanadas wird es so richtig richtig winterlich. Von Calgary aus fliegen wir direkt nach Norden nach Yellowknife. Am Flughafen gibt es einige Probleme mit den Flugtickets, so dass wir uns richtig beeilen müssen und gar nicht sicher sind, ob alle aus der Künstler Crew mit an Bord sind. Doch dann sind wir erleichtert und wir sitzen alle samt Werkzeug und Gepäck im richtigen Flieger.
Ankunft in Yellowknife
Beim Snowking in Yellowknife angekommen, empfängt uns die Stadt mit frostigen Winterwetter. Es sind -20°. Und die Luft ist sehr trocken. An dem kleinen Flughafen gibt es nur ein Gepäckband, das von einem Eisbär überwacht wird.
Dave, der Leiter des Schneeskulpturen Symposium empfängt uns und hat auch schon Autos und Fahrer für uns reserviert. Wir fahren durch die kleine Stadt zu unseren Unterkünften. Das sind Blockhäuser die aus großen runden Blockbohlen bestehen. Dort richten wir uns gemütlich ein. Betten werden aufgeteilt und das Gepäck wird ausgebreitet und dann geht es auch schon los in den Supermarkt.
Für die nächsten Tage sollen wir uns selbst versorgen. Und wir wissen genau, dass wir viel Energie brauchen. So landet in unseren Einkaufskorb viel Schokolade, gutes Fleisch aber auch viel Gemüse. Das Gemüse ist hier oben besonders teuer, denn alles muss hier heran geschafft werden. Aber auch etwas Bier und Gin darf nicht fehlen, so dass wir uns es auch trotz der schweren Arbeit richtig gut gehen lassen. Dann streunen wir etwas durch die Stadt und werden noch zum Sonnenuntergang beim Snowking im Snowcastle für einen ersten Rundgang eingeladen.
Der erste Blick auf das Snowcastle des Snowking in Yellowknife
Der Schnee ist so weiß, dass es weißer kaum geht. Und die Idee, in diesem Jahr, das Schloss mit Unterwassermotiven zu versehen, geht auf. Avalanche Kid, ein langjähriger Mitarbeiter beim Snowking, baute eine riesige Krake als Rutsche. Und ein Boot zum drauf toben und klettern aus Schnee und Eis steht inmitten des Schlosshof. Snowking zeigt uns persönlich die geheimsten Winkel seines Schlosses, was im gesamten Februar gebaut wurde und wird.
Die Bauarbeiten sind noch in vollem Gange, trotzdem sieht es schon gigantisch aus. Das gesamte Snowcastle des Snowking steht auf dem tiefsten See Kanadas, dem Slavelake, auf 1 Meter dickem Eis. Seit Januar ist das Eis so dick gefroren, dass auch Straßen über das Eis führen. Unweit des Snowcastle empfängt uns ein kleiner Verschlag vollgestopft mit Werkzeugen, Kaffeemaschine und eine Heizung. Dort quetschen wir uns, zwölf Künstler, Snowking und ein paar Mitarbeiter hinein und reden über die kommenden Tage. Alles ist gut organisiert und wir können uns einige wichtige Werkzeuge leihen und werden immer mit gutem Essen versorgt.
Vor der Arbeit an den Schneeskulpturen in Yellowknife
Am kommenden Tag, am Mittwoch, haben wir frei. Die Arbeit muss noch nicht beginnen, stattdessen werden wir die Umgebung erkunden. Dazu zählen ein paar interessante Läden. Da gibt es zum Beispiel den „was wir nicht haben – brauchen sie nicht“ Laden. Hier gibt es alles von einfachen Lebensmitteln über Klamotten, warmen Schuhen und Handschuhen bis hin zu Werkzeug und coolen Messern.
Ein Paradies für mich, wenn es da nicht die 23 Kilogramm Fluggepäck gäbe. Gleich daneben befindet sich ein kleines Holzhaus in dem Felle verkauft werden. Weiterhin gibt es hier in Old Town von Yellowknife ein paar schöne Galerien. Hier stellen Künstler aus, die aus der Region stammen. Besonders gut verkaufen sich kleine Inushuks aus Stein, Grafiken, aber auch schöner Schmuck und handgefertigte Textilien. Ich könnte stundenlang hier herum streunen. Im Hintergrund läuft einheimische Musik von Susan Aglukark, die mich vollständig hier sein lässt.
Wir kommen ins Gespräch mit den Verkäufern und Menschen aus Yellowknife und tauchen immer tiefer in die Kultur ein. Außerdem entdecke ich den deutschen Namen Franziska Ulbrich und ich recherchiere ihren Kontakt auf Facebook. Sie ist Künstlerin in Yellowknife. Tatsächlich treffen wir uns in den nächsten Tagen und erfahre Geschichten, die ganz und gar in meiner Heimat Mecklenburg. Wie klein die Welt ist und wie ähnlich unsere Lebensmodelle und Interessen, mit ähnlichen Wurzeln und jetzt soweit in der Welt voneinander entfernt.
Skifahren in Yellowknife
An unserem freien Tag recherchiere ich noch etwas und dann beschließe ich mit Jodine, den Nachmittag für eine Skitour zu nutzen. Der Ski Club Yellowknife hat einige Kilometer an Loipen etwas außerhalb der Stadt präpariert. Die Besitzerin der Ferienhäuser nimmt uns netterweise mit in die Stadt zum Sportladen, wo wir für 25 Kanadische Dollar Langlaufski ausleihen. Dann fährt sie uns zum Ausgangspunkt des Loipennetzes und wir starren auf eine riesige Tafel und wählen tatsächlich die längste Loipe aus. Sie ist 10 Kilometer lang und wir haben 2 Stunden Zeit.
Es ist ziemlich kalt und kaum ein Mensch ist unterwegs und auf unserem Weg in der Loipe begleiten uns hin und wieder laut Krächzen der Raben. Sie scheinen ein Symbol für die Stadt Yellowknife zu sein, denn wir finden Sie auch in Galerien und als Skulpturen in der Stadt wieder. Wir sind fasziniert von der Stille und den wenigen Geräuschen der Natur. Am Ende der Tour nach ein paar anstrengenden Hügeln sind wir glücklich und ganz eingefrostet. Die Besitzerin der Cabins holt uns am Skiclub wieder ab.
Und wir kommen noch rechtzeitig in den Brew Pub. Hier sind wir mit allen Künstlern und Mitarbeitern des Snowcastles samt Snowking zum Abendessen verabredet. Da meine Idee eine Kugel beinhaltet, wird heiß diskutiert. Mit Snowking und den Kollegen überlegen wir, ob wir eine Schneeskulpturen schaffen können, die am Ende über das Eis rollt.
Der Schneekubus ist wie bei vielen anderen Festivals ungefähr 3 Meter hoch und hat eine Seitenlänge von 3 Metern. Ergebnis wäre eine sehr sehr große Kugel. Und es wäre nicht ganz ungefährlich, sie einige Meter rollen zu lassen. Es darf niemand unter die Lawine geraten und die Gefahr bestünde, dass die Kugel einfach zerbricht.
Am Ende beschließen wir das Experiment nicht zu machen. Dennoch gefällt mir der Gedanke, solche Experimente bei einem Symposium mal auszuprobieren.
Arbeitsbeginn beim Snowking in Yellowknife
Der nächste Morgen ist der erste Arbeitsmorgen. Wir gehen natürlich rechtzeitig ins Bett und wachen erholt auf. Wir stärken uns bei einem Frühstück mit Porridge, Nüssen und ein paar Früchten. Zu dritt gehen Theressa, Jodine und ich um acht zum Arbeitsplatz. Dort werden die Kuben zunächst verlost. Es gibt fünf an der Zahl und wir wissen die Reihenfolge ihrer Herstellung. Der Kubus, der jetzt erstes hergestellt wurde, könnte am härtesten also auch am eisigsten sein. Das kann bedeuten, dass die Arbeit sehr schwer ist. Wir ziehen die Nummer zwei der Blog wurde also als zweites hergestellt.
Dann beginnen wir einige wichtige Maße am Kubus abzutragen. Die Vorgehensweise haben wir gestern besprochen und Theressa, die erfahrenste unter uns, schlug vor, von oben nach unten eine Kugel zu erschaffen damit wir sicher sein können, dass sie auch wirklich rund wird.Außerdem lässt die Vorgehensweise uns einige Plattformen und Stufen, um immer noch an die obersten Enden der Kugel heranzureichen
Zum Anzeichnen benutzen wir Schnur und Nägel, Edding und weil ich es so gerne mag auch mal eine snapline, auf Deutsch eine Schlagschnur. Dann beginnen wir die Rundung oben ab zu arbeiten. Zum Glück gehen wir so systematisch vor und sehen bald eine kleine Rundung oben aus unserem Blog hervor schauen. Ich bin sehr glücklich mit dem Vorankommen. Nach zwei bis drei Stunden wärmen wir uns im kleinen HQ off Ice (Headquarter off Ice) etwas auf, trinken einen Kaffee und essen warme Gulasch Suppe. Das tut gut. Zu lange darf man in dem kleinen Holzverschlag nicht verweilen, denn sonst wird es zu warm und gemütlich. Schnell eilen wir wieder raus zu unserem Arbeitsplatz.
Bis zum Abend wiederholt sich das Prozedere und wir sind fleißig am Schnee schippen.
Wie auch schon von der Arbeit bei den anderen Festivals beschrieben, trägt man in den ersten Tagen ziemlich viel Schnee ab bevor man in die Details geht. So auch hier müssen wir zwei Tage konsequent an den Rundungen arbeiten, bevor wir die Form aufbrechen, wie es mein Entwurf verlangt.
Nordlichter beim Snowking in Yellowknife
An den Abenden schaue ich nervös auf meine Nordlicht App und lege mein Kamera Equipment parat. Fast an jedem Abend gelingt es mir, ungefähr um Mitternacht ein paar Nordlichter auf meine Speicherkarte zu bannen. Ich bin seelig.
Wenn es auch ziemlich kalt, ich schätze zwischen minus 20 und 30 Grad draußen sind. Sobald die Sonne weg ist, fühlt es sich auch sehr viel kälter an und dazu bläst manchmal ein eisiger Wind. Die wabernden Nordlichter am Himmel wärmen jedoch vor Freude.
An einem der Abende während des Symposiums besuche ich mit Jodine die Yellowknife #artnight. Mehrere Maler arbeiten in einem Pub im Kreis stehend für 20 Minuten an einer Staffelei und buhlen um die Gunst des Publikums, das nach jeder Runde seine Stimme zum besten Bild abgibt. Dabei wird viel getrunken und gemutmaßt. Super interessant und auch unterhaltsam. Die meisten Malereien waren allerdings nicht mein Geschmack. Trotzdem schön hier einmal einzutauchen.
Nach 4 Tagen Arbeit sind unsere Skulpturen fertiggestellt. Den Entwurf habe ich noch in letzter Minute etwas verfeinert. Zum maritimen Thema paßt natürlich perfekt ein Fischschwarm auf einem Teil der Skulptur und ein anderer Name mußte her: „Wave of creativity“ ist der neue Name.
Kicksledding mit Sundog Adventures in Yellowknife
Die Arbeit an den Skulpturen ist beendet und uns bleibt noch ein halber Tag als Touristen in Yellowknife etwas besonderes zu erleben. So entscheidet sich ein Teil der Künstlerschar Kicksledding mit Hunden auszuprobieren. Gleich auf der Nachbarinsel der Altstadt aht sich das ganz junge Unternehmen Sun dog adventure etabliert. Das junge Paar nutzt super leichte Aluminiumschlitten / Kicksleds für ihr Abenteuer. Zwei bis drei Hunden werden pro sled vorgespannt und ein Gast darf sich auf dem Schlitten ziehen lassen.
Bei der Fahrt über den See merke ich dann schnell, dass ich Glück habe mit meinen zwei fleißigen Hunden, sie rennen was das Zeug hält, ich stehe nur hinten drauf und lasse die nordische Landschaft an mir vorübereilen.
Einige meiner Kollegen müssen schon ganz schön mitarbeiten und kommen nach zwei Kilometern Fahrt ganz verschwitzt am Ufer an. Dort machen wir eine Pause, schlendern über einen Friedhof und gelangen schließlich zu einer Eisgrotte und gewaltigen Eiswasserfällen. Eine echte Sehenswürdigkeit für Insider in Yellowknife.
Zurück zum Sundog Adventure home, und im großen Blockhaus mit warmen Tee aufwärmen und etwas mit den Jungunternehmern quatschen.
Ich empfinde es als perfekten Abschluß unserer Yellowknife Woche heute im Abendsonnenschein noch einmal mit den Hunden auf dem See unterwegs zu sein.
Auf Wiedersehen Snowking in Yellowknife
Am Abend des letzten Tages in Yellowknife machen wir ein Potlock Essen, alle kochen etwas aus ihren Resten und tragen es in einer Art Buffet zusammen, dabei versammeln wir uns 12 Künstler, friends und collegues alle in einer Hütte. Es wird sehr voll und wir feiern die Kunst und das Leben. Ich bin ganz schön geschafft von den letzten Tagen in der Kälte und lege mich mal zur Probe aufs Bett in unserer Hütte – fast verpasse ich die Nordlichtstunde.
Gerade so raffe ich mich auf und erlebe damit wohl die tollsten Nordlichter über den fertigen Skulpturen in dieser Saison. Mein Herz hüpft.
Dass es drei Wochen später schon so warm sein wird, dass die Mauern des Snowking Castle zuzsammen brechen, ahnt wohl niemand, trotzdem ist der Abschied von so eiere Schneeskulptur immer etwas besonderes, weil man weiß, dass man „sein baby“ nicht wieder sehen wird.
Vielen Dank für die Unterstützung meiner Arbeit durch das Deutsche Generalkonsulat in Toronto und der Destination Kanada. Vielen Dank an Sundog Adventure für das besondere Erlebnis am letzten Tag in Yellowknife.