Hvide Sande – Dänischer Whisky und Kunst im Bunker

Es sieht draußen etwas weniger sonnig aus, dafür bläst der Wind und das Dünengras raschelt. Durch große verglaste Giebel des Ferienhauses sehe ich zur einen Seite den Fjord und zur anderen die Dünen, die mich von der Nordsee trennen. Viel Licht, helles Holz, genügend Platz für bis zu 8 Gäste gibt es hier. Alle Ferienhäuser hier werden zwar durch drei große Gesellschaften verwaltet, aber sie gehören alle Privatpersonen. Deshalb sind sie individuell und immer wieder stoße ich auf ein Bild oder eine Dekoration, die mich überlegen läßt, wer wohl die Besitzer sind. Wahrscheinlich werden sie auch Kinder haben denn vorne und hinten raus gibt es eine Sandkiste – sehr lustig eigentlich, wenn man bedenkt, dass das ganze Haus in einer riesigen Dünen Sandkiste steht. Hier könenn die Kinder frei herumturnen. Es gibt kaum Gefahren, keine Autos. Das einzige, dass sie sich höchstens in der hügeligen Dünenlandschaft verlaufen könnten. Also sollten sie das Haus immer im Blick behalten. Ansonsten stelle ich mir vor, wie die Kids tagelang in ihrer Welt untertauchen würden und zwischen den Dünen spielen.

Das Thema Sand zeigt sich in Hvide Sande aber nochmal von seiner besten Seite in einer riesigen Sandskulpturen Ausstellung zum Thema Wikinger. Europas größte und längste Reliefwand zeigt Motive aus Sagen und Wikingergeschichten. Jedes Jahr entstehen die Kunstwerke aus einer Mischung aus Sand und Lehm neu und zeigen überraschende Skulpturen. Ich freue mich sehr, zwei Skulpturen zu sehen, die von holländischen Kollegen aus dem Icehotel gefertigt wurden. Diesmal aus Sand statt aus Eis.

 Dänischer Whisky aus Stauning

Warehouse Stauning

Ich widme mich aber jetzt einem Thema, was vielleicht für die Kleinen nicht so interessant wäre, aber für die meisten Erwachsenen.

In Stauning, einige Kilometer von hier wird der einzige dänische Whisky gebrannt.

Das muß ich mir ansehen und fahre in die Destillery Stauning. Stefan, ein deutscher Mitarbeiter begrüßt mich in einem renovierten Stall Gebäude. Bierbänke und Tische, Destillierblasen, gepflasterter Boden – ein uriges Gefühl. Im Gegensatz zu Deutschland und anderen Ländern ist hier der Prozeß des Brennens ganz offen. Ich darf alles anfassen, überall hineinschnuppern und in jeden Winkel schauen. Obwohl es sicherlich einen hohen Wettbewerb in der Branche gibt, macht sich hier niemand Gedanken um das Geheimnis der selbsterfundenen Getreide Wende Maschine. In Schottland haben Menschen Krumme Rücken, weil sie Jahrzehntelang das aufgeqollene Getreide mit der Hand und großen Schaufeln gewendet haben. Stefan sagt, dass sie stolz sind auf ihre Maschinen, die sie selbst konstruiert haben aber kein Geheimnis drum machen.  Darunter sind noch eine Etikettiereinrichtung und Eine Art Trommelwaschmaschine für einen Teil des Herstellungsprozesses.

Endlich darf ich die heiligen Hallen betreten und rieche die verschiedenen Stufen der Whiskyproduktion. Es duftet nach Getreide, nach vergorenem und nach alkoholisertem. Über einige Gefäße kann ich nur für Bruchteile von Sekunden meine Nase halten, dann beißt es. Drei große Kupferblasen bestimmen die große Halle. Aus 500 kg Getreide, manchmal Roggen und manchmal Gerste, werden bis zu 4000 Liter Whisky. Stefan nennt Zahlen von Destillerien in Schottland und Amerika, in denen tausende Liter pro Stunde produziert werden. Auf eine art sehr industriell. Da kann doch kein feiner Gescfhmack heraus kommen, denke ich mir so.

Während wir schon an einer der Bierbänke sitzen mit dem „Nasenglas“ in der Hand, erzählt er die Schnapsidee von neun jungen Leuten aus Jütland, die alle keine Ahnung davon hatten, wie man Whisky brennt, aber es unbedingt ausprobieren wollten. Vier Ingenieure, ein Arzt, zwei Lehrer, ein Rechtsanwalt..kaufen das Gehöft vor acht Jahren, renovieren es zwei Jahre lang in ihrer Freizeit, investieren Geld, was sie sich zusammengesammelt haben, weil das Projekt keine Bank unterstützen will. Sie bestellen einiges Zubehör und setzen die erste Ladung Gerste an. Nachdem es aufgequollen ist, soll es geräuchert werden… der Rauch jedoch etwas zu heiß und zu lange an dem Lebensmittel und es ist am Ende geröstet. Zufällig entsteht ein interessanter Geschmack.
Der Guru unter den Whiskykennern vermutet hinter einem metallenem Geschmack eine Note, die es schon lange nicht mehr unter den Whiskies gab. Die Bande der dänischen Whisky Brenner ist motivierter denn je zuvor.

In verschiedenen Fässern lagern verschiedene Sorten. Ich seh ganz helle Fässer, die nur das erste Mal benutzt werden, der Alkohol zieht den Zucker und die dunkle Farbe aus dem Holz und gibt dem Getränk so seine spezielle Note. Es entsteht Single Malt.

In dunkleren gebrauchten Fässern lagert die nächste Sorte. Und wieder eine andere in kleinen Fässern. Es gibt Menschen, die sind begeistert durch diese Geschichte und kaufen ein kleines Fass oder auch ein großes bevor es überhaupt trinkreif ist und haben so ihren eigenen kleinen Schatz im Warehouse von Staunning liegen.

Während wir reden, vergeht die Zeit wie im Fluge und Stefan hat mir die dritte Sorte eingeschenkt. Nichts für Damen, denke ich, als nur meine Nase über dem speziellen Riechrand hängt. Ein intensives Raucharoma schlägt mir entgegen und ich befürchte als ich einen Schluck getrunken habe, dass ich erst mal nicht sehr viele Geschmäcker danach identifizieren kann. So ein Raucharoma übertüncht eben alles.

Destillery Stauning

Jedoch dieser Whisky ist preisgekrönt und in Handarbeit hergestellt. Eine normale Flasche kostet über hundert Euro und es gibt sie nur selten im freien Verkauf, weil Restaurants und Onlinebestellungen zwei Drittel der Gesamtproduktion abnehmen.

Wenn man will, kann man den Whisky bei den Verkostungen natürlich ausspuken. Das war mir zu schade. Nach drei Sorten tappe ich schon fröhlich am späten Vormittag aus der Destillery in Stauning.

Ich esse in einem kleinen Restaurant zu Mittag. In Stauning am Hafen schaue ich über das Schilf  und die Boote, die hier angelegt haben. Ein Teller mit vier verschiedenen Fischhappen und danach ein Fleischteller mit Wurst und Rinderfilet sorgen dafür, dass ich mich wieder kugelrund fühle. Die Kellnerin erzählt, dass die Flunder erst heute Morgen frisch gefangen wurde, ein Teil wurde gebraten, ein anderer Teil geräuchert. Herrlich , so richtig frischen Fisch zu essen. Die Dänen haben es aber auch mit süßen Sachen. Der Nachtisch besteht unter anderem aus einem feinen Schokoteil, das so intensiv nach Kakao schmeckt , dass die Sanddornbeeren oben drauf im wahrsten Sinne das fruchtige i-Tüpfelchen sind. Zauberhaft und wieder nur regional.

 Museum in Ringkøbing

Der Nachmittag bietet Zeit, um das Museum in Ringkøbing zu besuchen. Die Stadt mit ihren niedlichen Backsteinhäusern ist auch die heimliche Hauptstadt Jütlands. Hier zeigen verschiedene Ausstellungen etwas über die Kunst und Geschichte der Region. Mich fesselt eine Geschichte um den deutschen Soldaten Gerhard Saalfeld.

In einem Teil des Museum ist eine Bunkerecke nachgebaut, beklommen nehme ich auf einem Hocker zwischen herunterklappbaren Pritschen und einem einfachen Holztisch Platz. Eine Pistole und Spielkarten liegen darauf, als hätten die Soldaten den Raum gerade erst verlassen.

Museum Ringkobin, Hvide Sande

Museum Ringkobin, Hvide Sande

Als Teil des Atlantikwalls waren hier einige hundert deutsche Soldaten zwischen 1943 und 1944  stationiert. Es fanden keine Kriegshandlunegn statt, jedoch verbrachten junge Menschen, wie Gerhard Saalfeld einige Monate ihres Lebens in diesen grauen beklemmenden Betonbauten unter der Erde. Regelmäßig mußte per Hand ein Ventilator bedient werden, der Frischluft in die Bunker brachte. Der Nordseesand  sorgte nach dem Verlassen der Bunker dafür, dass einige von ihnen einfach nicht mehr zu finden waren. Sie verschwanden einfach unter den Dünen. Einige der  deutschen Soldaten kamen immer mal wieder nach Dänemark, um nach diesen Orten zu suchen. Gerhard Saalfeld fand schließlich „seinen“ Bunker und so bekam die gesamte Geschichte um  diese Anlage ein Gesicht. Im Museum wird ein Film gezeigt, in dem die bewegende Geschichte und Gerhard Saalfeld persönlich zu sehen und zu hören sind.

Bunkeranlage  Houvig

Kurz danach sehe ich die Bunkeranlage  Houvig live in den Dünen. Ich klettere auf, um und in die Betonklötze hinein. Der Küstenschutz hat einige zur Stabilisierung zur Hälfte mit Sand befüllt. Man muss also auf allen Vieren hineinkrabneln und sich mit einer großen Taschenlampe den Weg durch ein Raumsystem bahnen. In einem Bunker schuf ein dänischer junger Künstler vor zwei Jahren eine Wandmalerei in der er den Holocaust thematisierte. Die Wandmalerei ist in Ochsenblut ausgeführt. Extreme Kunst an einem ungwöhnlichen Ort.

Bunkeranlage  Houvig

Bunkeranlage Houvig

Ich versuche meine Gedanken wieder etwas zu zertreuen und habe die Idee, dass dies doch auch ein interessanter Ort für Geocaches sein könnte, zücke mein Handy und entdecke mindestens drei in der näheren Umgebung.

Auch hier ist man gefordert zu krabbeln, zu kriechen und die Arme in verrostete Metallrohre zu stecken, um dem Schatz nahe zu kommen.

Das Thema wird mich wohl noch einige Zeit beschäftigen, so ernst es ist und so persönlich und detailgetreu es aufgearbeitet war.

Zum Abendessen geh ich in die neueröffnete Kommandobroen in Hvide Sande, eine mdoerne Architektur am Hafen. Ich stehe im Restaurant vor der schrägen Fensterfront und komme mir vor wie der Kapitän auf einem Schiff.

Wieder liegen auf dem Teller drei verschiedene Sorten Fisch, diesmal Dorsch, Seehase und Flunder. Dazu werden verschiedene Soßen gereicht.

 

Dorsch aus Hvide Sande

Dorsch und Flunder aus Hvide Sande

 Masterclass Konzerte in Hvide Sande

Mette, die schon einige Jahre hier lebt, erzählt von den beliebten Masterclass Konzerten, die an verschiedenen Orten, wie zb auch in der Kirche und im Leuchtturm im September stattfinden. Studenten aus aller Welt bevölkern für einige Zeit den kleinen Ort und man sieht sie mit ihren großen Instrumentenkoffern von  A nach B radeln und darf die Gäste dann in Konzerten bewundern.
In der kleinen renovierten Steiinkirche im Zentrum von Hvide Sande hören wir Grieg, Schumann, Ravel. Ich schließe die Augen und lasse nochmal die Bilder der letzten zwei Tage an mir vorrüberziehen. Die dynamische Musik, die mit Enthusiasmus von den jungen Menschen darbgeboten wird, paßt perfekt zu den inneren Bidlern von wehendem Dünengras, Wellen, dunklen Wolken und auch dem grellen Sonnenschein vom Vortag.

Zurück im Ferienhaus schmeiße ich die Sauna an und platziere eine Ladung Holz im Kamin. Dazue ein Polarforscher Bier, was ebenfalls sehr rauchig schmeckt und mich nochmal an den dänischen Whisky vom Vormittag erinnert.

Aufgewärmt traue ich mich nochmal im Dunkeln an den Strand und spüre die laue Luft und tauche noch einmal in die Nordsee hier an der westlichen Küste von Jütland.

Seeluft macht müde und so schlafe ich tief und fest, bevor mein letzter Tag hier anbricht.

Diese Eindrücke entstanden während einer Pressereise nach Hvide Sande auf Jütland in Dänemark. Vielen Dank für die Einladung.

 

Geertje

Geertje schreibt und fotografiert auf Reisen gerne, um diese intensiven Momente des Lebens festzuhalten. Sie möchte diese wunderbare Welt auch ihren Kindern zeigen und reist deshalb am liebsten als Familie in den Norden. Schön ist es, wenn Bilder und Texte auch andere Familien zum Reisen inspirieren.

Ein Kommentar:

  1. Pingback:Anreise  von Potsdam nach Hvide Sande in Dänemark – Nordicfamily

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