Verirrt auf der Piste und der Weihnachtsmannbesuch

Dienstag, 23.12.2014

Skitag

Langsam wird Routine: alle aufstehen, abfüttern, anziehen, Equipment schnappen und um zehn Uhr am Hang sein. Morten hat wieder eine Ski Stunde mit Annika, die mit viel Humor und Einfühlungsvermögen für den kleinen Skifahrer mit ihm Lift fährt und geduldig den Hang runterkurvt und ihn dabei zwischen den Beinen hat. Ich fotografiere dabei und fahre dann nebenher ein bisschen mit dem Board runter.

Jan und Merle haben die Aufgabe sich dem Langlauf zu widmen. Dafür gibt es ein kleines Stadion, wo man auf ebener Fläche in einer Spur die schmalen Skier ausführlich testen kann, um dann in eine der hügligeren Langlauf Loipen einzusetzen. Wie ich später erfahre, war es ein kurzer Test und Jan beschließt, dass es nichts für ihn ist und gibt seine Langlaufausrüstung wieder ab. Schade. Vielleicht kann mir noch jemand einen Tipp geben, wie ich ihn dazu kriegen kann, damit wir irgendwann mal Grönland auf Skiern durchqueren.

(Anmerkung Jan: Das mit Grönland wird schon gehen. Mein Problem war das bergab fahren. Solang es eben oder bergan ging, war es kein Problem, aber bergab konnte ich Jahrzehntelang antrainierten Alpinskiinstinkten nicht widerstehen. Und die führen in den Langlaufskischuhen (im Prinzip so stabil wie Turnschuhe) halt dazu, dass man sich hinlegt, was bei meiner Körperlänge echt unangenehm ist.  Vielleicht kann man das mit Knowhow und Technik vermeiden, also nehm ich mir vor, einen Langlaufskikurs mitzumachen, sobald sich das ergibt. Andererseits hab ich die Vorstellung das Grönland eher so flach ist wie Ostfriesland ..zumindest auf der Eiskappe….)

Wir treffen uns alle samt wieder gegen Mittag und wärmen uns auf. Die Männer gehen zum Mittagsschlaf und ich nutze die Zeit, in der Merle eine Snowboardstunde bei Daniel hat, um selber ein bisschen zu boarden.

Fast verloren – offpist in Dundret

Ich nehme meine Kamera in den Rucksack mit hoch, um von ganz oben ein paar Bilder zu machen. Es ist ja schließlich gegen 12 Uhr die hellste Zeit am Tag. Das gelingt mir. Und wie ich so vor dieser unpräparierten Piste stehe mit meiner Kamera denke ich, dass ich da mal langfahren sollte, solange es noch einigermaßen hell ist und wann, wenn nicht jetzt. Ich verstaue die Technik, beantworte noch schnell ein Telefonat aus der Zivilisation und für ein paar Minuten schwirren Projekte der nahen Zukunft verbunden  mit Auslandsflügen und dergleichen in meinem Kopf.  Und dann schnalle ich das Snowboard an. Ein paar Spuren weisen mir den Weg. Normalerweise ist bei mehr Schnee die Piste präpariert und der Weg wäre eindeutiger.
Während ich mich einmal aus dem Tiefschnee hoch rappel schwingen drei Teenies mit Gopro am Helm und lustig bunten Ski Klamotten an mir vorbei. Ich denke, die kennen sich aus und folge ihnen einfach. Bis in eine Off Pist Gegend, wo es nur noch deren Spuren gibt.

Einer von denen hat gerade einen Ski verloren und die kleine Gruppe hält an. Ich: „Hej, Guys . I just followed you. Is there any path tot he lifts again.“ One little guy: „This up there, where the fence is, ist the official slope, but we are going down this way down to the cross country track.“ Ich: „Can I just follow you?“ Er: „Sure.“

(jetzt meine ich mich zu erinnern, dass er einen belustigten Gesichtsausdruck hatte, nach dem Motto: wenn du alte Frau glaubst, dass du das schaffst…)
Ich versuchte mit zu halten. Das war nach dem großen weiten Tiefschneefeld nicht einfach, denn die Büsche und Sträucher wurden immer dichter, je weiter ich in ein kleines Tal fuhr in dessen Senke ein plätschernden Bach floss. Ich verliere die Burschen aus den Augen als ich das erste Mal zwischen Ästen mit meinem Board feststecke und mich fluchend aus dem tiefen Schnee grabe. Ich schnalle wieder an und versuche mich hochzudrücken. Das kostet Kraft, weil ich immer wieder mit den Armen einsinke. Ich schaffe es dennoch und gleite wieder ein paar Meter mit unzähligen Kurven durch unzählige Büsche. Beim nächsten Sturz wegen zu enger Kurve beschließe ich gleich das Board abgeschnallt zu lassen und ein Stück des Weges zu Fuß zu meistern. Zum Glück sehe ich immernoch die frischen Spuren der dreier Bande. Ich folge dieser in der Hoffnung, dass es nicht zu schnell dunkel wird. Ich schreibe Jan kurz eine Nachricht, zum Glück ist hier im nichts Handy Empfang, dass ich mich verirrt hätte aber es versuche, zu unserer vereinbarten Zeit am Treffpunkt zu sein. Ich sehe mich schon die nächste Nachricht tippen: „Fahrt alleine zum Weihnachtsmann“ ich überwintere hier in diesem Flußtal“. Die kleine Hüttenansammlung, wo auch unsere Hütte ist, am Björnfjället habe ich fest im Blick und würde auch bei Dunkelheit die Richtung wissen. Sie liegt vielleicht zwei Kilometer Luftlinie erhöht von mir Richtung Norden. Nur zwei Kilometer zu Fuß in diesem Tiefschnee zurückzulegen könnte eine Weile dauern. Ich fluche, schwitze und strampel mich immer wieder frei. Stapfe durch den Schnee, versinke bis zum Oberschenkel, hoffe, dass ich den Bachlauf überqueren kann ohne das die dünne Schneedecke unter der das Wasser rauscht bricht. Mit Skiern oder Board wäre das kein Problem wegen der Gewichtsverteilung. Nur habe ich das Board gerade unter dem Arm. Es ist schon ganz schön schummrig dunkel als ich voll Glück hinter einem kleinen Hügel die präparierte Langlauf Loipe sehe. Ich schreibe genau zu unserer vereinbarten Treffzeit die Nachricht: „Warte mal noch 10 Minuten, ich bin auf einer Loipe“ Ich konnte ja nicht wissen, dass es nur 3 Minuten sanftes Dahingleiten auf einer guten präparierten Spur sein würde. Alle sind noch am Parkplatz und ich lasse mich geschafft, durstig und durchgeschwitzt ins Auto plumpen, dass uns zum Pferdehof bringt.

Zum Weihnachtsmann – Tomte

Die Wegbeschreibung sagte, dass wir etwa 20km aus Gällivare herausfahren müssten und dann das einzige Haus an der Straße schon finden würden. Das war nicht ganz korrekt oder wir hatten es falsch in Erinnerung.  Nach einem kurzen Telefonat mit Olav wissen wir, dass wir nach einem elektrischen Weihnachtsbaum gucken müssen.

Wir finden Olav mit seinem Pferdeschlitten. Terrö hat dickes Fell und dicke Stampfer und sieht aus als wäre er nicht nur eine Pferdestärke. Wir steigen auf den „one horse open sleigh“ und hüllen uns in Schafsfell, sitzen auf Robbenfell und rumpeln die Waldwege entlang mit schwedischen und deutschen Weihnachtsliedern auf den Lippen. Manchmal streift uns ein Ast und der Schnee rieselt auf uns. Es ist kurz nach zwei nach mittags und bis wir beim Weihnachtsmann angekommen sind ist es stockfinster. Auf den letzten Metern weisen uns kleine Fackeln den Weg. Und das Gespann hält an einem Lagerfeuerplatz an. Wie weit mögen wir gefahren sein in den zwanzig Minuten , zwei drei Kilometer?

Am Feuer begrüßt uns Tomte, die Kinder umarmen den kleinen zierlichen Weihnachtsmann innig und schlürfen ihren warmen süßen Glögg. Pepparkakor gibt es zum knabbern, Martha erzählt auf Deutsch, dass gar kein Pfeffer drin ist. Dann grillen wir duftige Falun Korv, Wurstscheiben am Stock.

Die schwedische Wurst war mir noch nie so lieb, aber in so einer Atmosphäre mit knisterndem Feuer und Schnee und nach diesem Schneeabenteuer neben der Piste ist sie das vorzüglichste, was mir gerade passieren kann. Morten kuschelt auf dem Schoß des Weihnachtsmannes und ich gebe es auf zu fotografieren, es ist zu dunkel und ich will genießen.
Wir folgen Tomte in seine samische Kota, eine Holzhütte mit einem offenen Feuer und vielen liebevoll gedeckten Tischchen. Hier brodeln schwarze Blechkessel vor sich hin und wir setzen unseren Weihnachtsumtrunk mit Glögg, Kaffee, Tee und heißer Schokolade fort. Köhlers Lantbruk ist die Firma von Martha und Olav und sie erzählen, dass morgen hier 30 Japaner zu Gast sein werden und zu anderen Jahreszeiten hier auch kleine und große Feste veranstaltet werden. Die Bewirtung mit lokalen Produkten, mit meinem geliebten Nordschwedischen Kaffee und dem Polarbröd gefüllt mit feiner Wurst und den leckeren Zimtschnecken beweist, dass man hier besonders gut in die Kultur eintauchen kann und einfach , ich behaupte mal, „original-Weihnachten“ erleben kann.

Morten hat soviel Freude mit Tomte zu spielen, Steine zu verschenken und sogar seinen Nucki mal kurz abzugeben, dass er gar nicht gehen will. Als der Weihnachtsmann uns dann auf unserer Schlittenfahrt zum Parkplatz begleitet sind alle überglücklich und nach einer kurzen Fotosession wünschen wir auch dem Weihnachtsmann „god jul“ und fahren wieder Richtung Gällivare.

Alle sind müde, es werden noch schnell Köttbullar nachgekauft, denn die scheinen hier in dieser Familie en mass wegzugehen. Und im Häuschen angekommen, nehme ich eine extra lange Dusche und fliege dann in meinen neuen Filzhausschuhen auch noch die Holztreppe runter – what a day!

…Nachtrag, von mir, Jan, in der Nacht. Wir wollten gerade noch einen Film starten und gemütlich werden, da springt meine Frau auf wie von der Tarantel gestochen.

Hier die Ursache (wir habe hier bestimmte Messdiagramme immer im Hintergrund mitlaufen…ja ich weiß, sie ist Crazy….Gruß an Gaston):

Für den nicht Sachkundigen: das heißt Magnetsturm über Kiruna.

Quelle: http://www.irf.se/Observatory

Quelle: http://www.irf.se/Observatory

Oder noch anders: Nordlichtalarm.

Zwei Minuten später steht sie draußen (-15 Grad) und Fotografiert was das Zeug hält. Auch ich stehe in meinen langen Unterhosen (ich wollte erstmal gucken, ob sich weiter anziehen lohnt) und trau mich dann nicht mehr weg, weil ich befürchte, was zu verpassen. Als ich zum Akku holen doch reingeschickt werde, finde ich da Merle auf der Couch. Sie war aufgewacht, merkte dass wir nicht da sind und versuchte gerade mich über Facetime zu erreichen. Was auch geklappt hätte, wenn ich mein Handy lauter gehabt hätte. Trotzdem kluges Kind. Sie geht dann auch mit raus und sieht fasziniert die ersten Nordlichter. Die Bedingungen sind nicht ganz ideal. Der gut beleuchtete Parkplatz und die Stadt zu unseren Füssen sorgen für ordentlich Lichtverschmutzung, aber trotzdem kann man viel sehen und Geertje weiß gar nicht, in welche Richtung sie zuerst fotografieren soll.

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Geertje

Geertje schreibt und fotografiert auf Reisen gerne, um diese intensiven Momente des Lebens festzuhalten. Sie möchte diese wunderbare Welt auch ihren Kindern zeigen und reist deshalb am liebsten als Familie in den Norden. Schön ist es, wenn Bilder und Texte auch andere Familien zum Reisen inspirieren.

Ein Kommentar:

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