Wintertour in der Hardangervidda oder Skitour, Wintertrekking, Skiwandern oder auch Skiexpedition – es gibt viele Worte, die das umschreiben, was wir als kleines Grönland Expeditionsteam im März und April in Norwegen erlebt haben.
Ich stehe verschwitzt neben diesem Ungetüm in weiß blau rot. Es wiegt etwas über 40 Kilogramm und ich bin selbst mit Zaumzeug dort vorgespannt.
Die letzten Höhenmeter waren kein Zuckerschlecken, denn ich habe versucht, mit dem Ungetüm einen Berg zu erklimmen, dessen Oberfläche vereist und rutschig war. Dabei stemme ich die Skier im V-Schritt gegen den Boden und ramme die Skistöcke in den verharschten Schnee. Nur Zentimeter um Zentimeter bin ich vorwärts gekommen. Vor mir haben es die Schneefreunde ja auch geschafft.
Der Wind bläst mir ins Gesicht und verschafft mir mit einem reichlichen Windchillfaktor etwas Abkühlung.
Wintertour in der Hardangervidda mit Trainingswetter
Ich hätte nicht gedacht, dass mir auf einer Wintertour so warm wird, dennoch habe ich gehofft, dass uns so viele unterschiedliche Situationen wie möglich begegnen, denn in einem Jahr wollen wir das Inlandeis Grönlands überqueren und dafür gut vorbereitet sein.
So wünschen wir uns insgeheim für die Wintertour in der Hardangervidda in den kommenden zwei Wochen einen Zeltaufbau mit Sturm, Whiteout mit schlechten Navigationsbedingungen und frostige Nächte, um uns selbst und die Ausrüstung für das Abenteuer unseres Lebens zu testen.
Ob wir alles gefunden haben, was wir uns gewünscht haben schreibe ich in dem folgenden Protokoll auf.
Packlisten gecheckt, Flugtickets gebucht, Bastelarbeiten erledigt für die Wintertour in der Hardangervidda
Denn die erste große Herausforderung auf einer Wintertour ist für mich, das Gepäck von über 40 Kilogramm mit Zelt, Nahrung, sperrigen Skiern und einem Pulka Schlitten zum Ausgangspunkt mit Schneeunterlage zu bewegen.
Im vergangenen Sommer habe ich schon geübt, einen Rucksack so zu packen, dass er für zwei Wochen Wildnistrekking gut ausgerüstet ist. Winterausrüstung ist jedoch etwas sperriger und voluminöser.
Rollende Pulka zur Wintertour in die Hardangervidda
Deshalb habe ich mir für die ersten Zwischenwege, zum Flughafen, in Oslo vom selben in die City und dann zum Busbahnhof ein kleines Rollbrettchen gebaut, das meine Pulka zu einem luxuriösen Rollkoffer machen sollte. Eine Siebdruckplatte und Transportrollen mit Gummibelag schraube ich sorgfältig zusammen und Spanngurte helfen mir, das ganze so rutschsicher wie möglich an die Pulka zu spannen. Auf dem Flughafen schwebe ich regelrecht damit über die glatten Fliesen und bin ganz stolz.
Transport Fail
In Oslo gelange ich auch noch ohne Probleme in den Zug, der mich in die City zu unserem Treffpunkt Hotel bringt. Auf den Pflastersteinen der norwegischen Hauptstadt beginnt das Drama. Es ruckelt und zuckelt, ich korrigiere die Rollbrettposition, halte alle paar Meter an, versuche den glattesten Asphalt zwischen Bahnhof und Prinsengate zu finden. Den Eingang zum Hotel übersehe ich dabei und fahre ein paar Häuserecken zu weit, dann ist es geschehen, die Rollen sind bis auf die Achse runter gerockt. So ein Mist, die Konstruktion ist dahin und ich bin völligst deprimiert gerade noch am Hotel angelangt.
Hier telefoniere ich mit Jan, der mich aufmuntert und dann mit Luca, der praktische Lösungsvorschläge parat hat, denn er kennt sich in Oslo gut aus. Statt Sightseeing habe ich Problem Solving heute Nachmittag auf dem Programm bevor der Rest des Exeditionsteams eintrifft.
In Läden, die einem Baumarkt ähneln, vergleiche ich Rollen und überlege kritisch, ob die besser sind als meine vorherigen. In einem unauffälligen kleinen Handwerksladen innerhalb einer Einkaufspassage treffe ich den Jernia Mitarbeiter, der gleichzeitig seine Ladentheke als Werkstatt anbietet und mit mir zusammen, die alten Rollen abbaut und neue anbaut. Das passende Werkzeug ist auch vor Ort. Ich bin überglücklich und er freut sich über Abwechslung in seinem Verkäufer Alltag. Nebenbei plaudern wir über dieses und jenes… ich weiß sofort, dass dies Erinnerungen sind, die nicht so schnell vergehen.
Ich bin happy und schlendere mit meinem neuen Rollbrettchen durch die neuen und alten Teile der Osloer Innenstadt, tauche in das kühle Wasser des Oslofjords und treffe später am Abend Martin und Angela, mit denen ich in den kommenden zwei Wochen die Hardangervidda durchqueren möchte und wenn alles gut geht, auch Grönland in einem Jahr.
Auf dem Weg in die weiße Wüste
Am kommenden Morgen buckeln wir mit dem ganzen Gepäck vom Hotel zum Busbahnhof, wo der Haukeliseter Express uns in die größte Hochebene Europas transportieren soll. Die Tickets haben wir vorher online gebucht. Es ist nicht besonders voll an diesem Dienstagmorgen – warum?
Die Woche vor Ostern ist erst die ultimative Skifahrwoche, die haben wir mit unserer Planung noch vermieden.
Nach fünf Stunden Busfahrt landen wir an der Straße, an der nur ein paar Holzhäuser den Ort Haukeliseter markieren. Er ist Start- und Endpunkt für viele Hardangervidda Touren.
Jetzt knüpfe ich an den verschwitzten Moment vom ersten Abschnitt an…
Nach einigen Höhenmetern winken wir den letzten Zeichen der Zivilisation, der sich schlängelnden Landstraße im Süden der Hardangervidda. Vor uns nur noch weglose Weite, verschneit und kalt.
Wie es später dann für elf Nächte zur Routine wird, bauen wir am frühen Abend unsere Zelte auf.
Über die geeigneten Winterzelte mit und ohne Schneelappen, als Geodät und Tunnelzelte haben wir schon vorher viel diskutiert Für die Testtour haben wir und für das Wechselzelt Endeavour entschieden. Es war ein sehr geräumiges und gemütliches Zuhause auf das ich in einem Ausrüstungsartikel noch einmal genauer eingehe.
Angela und ich sind ein prima Team und sind blitzschnell mit unserem Hausbau fertig, dazu gehört auch der Küchenausbau. Mit viel Freude schippe ich in unserem Vorzelt einen 50 Zentimeter tiefen Graben. Perfekt um auf dem festen Schnee wie auf einer Bank zu sitzen und die Beine baumeln zu lassen. Total bequem, um auch die Skischuhe an- und auszuziehen.
Dank eines Arctic Bedding müssen wir auch an den folgenden Tagen nicht mehr, den Schlafsack komprimieren bzw. die aufblasbare Isomatte klein- und groß machen. Eine große rechteckige Hülle beherbergt, eine Evazote Matte, eine aufblasbare Isomatte , die mit Daunen gefüllt ist und meinen Arktis Schlafsack von Mountain Equipment „Redline“- für Temperaturen bis minus 45 Grad. Wie das geht, beschreibe ich auch noch später.
Apropos Ausrüstung für die gesamte Tour habe ich mir schon viele Produkte gekauft, die für die Grönlandtraverse 2023 nutzbar sind, so sie sich dann als geeignet herausstellen.
Ich habe mich an Hersteller gehalten, die Outdoorausrüstung für extreme Touren herstellen.
Darunter Mountain Equipment, Aclima, Haglöfs, ALFA, Wechseltents.
Selbst meine Fujifilm Fotoausrüstung funktioniert wunderbare bei extremen Bedingungen.
Das Essen auf unserer Wintertour in der Hardangervidda
Es ist Abendbrotzeit und wir gönnen uns ein warmes Mahl. Dafür haben wir Pulled Pork, Köttsuppe, Kylling Karri und einige andere leckere Gerichte mitgebracht. Natürlich sind sie sorgfältig vom norwegischen Hersteller realturmat gefriergetrocknet und ohne Luft in orange Tüten verpackt.
Unsere Augen leuchten und der Sabber tropft schon aus den Mundwinkel, wenn wir an den Lohn nach einem harten Tag in Schnee, Wind und Kälte denken. Die Trekking Nahrung aus Norwegen war in den zwei Wochen geschmacklich immer ein Highlight und wenn wir die Kalorien mit anderen Essen verglichen, waren wir immer auf der sicheren Seite. Ich habe mich jedoch gefragt, ob ich nicht eventuell zunehme.
Nach Martins Angaben sollten wir zusehen, dass wir 2500 Kalorien pro Tag zu uns nehmen, Von Wilfried weiß ich, dass sie mindestens 4500 Kalorien in Grönland kalkulierten.
Das warme Abendessen ergänze ich jedenfalls noch mit Suppen und Desserts und Tagsüber gibts Schoki, Nüsse und Müsliriegel.
Die gute Verpflegung benötigen wir für einen aktiven Tag auf Skiern.
Der Tagesablauf auf Wintertour
Unsere Wecker piepen um 7:30, denn um 9:30 wollen wir abmarschfertig auf den Skiern stehen. Meist drückt meine Blase gleich morgens, dann schlüpfe ich schnell in meine Skischuhe, die im Vorfeld stehen und flitze in unser schön gebautes Schnee-Klo. Dabei sehen ich auch gleich , wie das Wetter draußen ist, heute ist es neblig, dicht am Whiteout.
Ich muss mich konzentrieren das Klo in 50 m Entfernung zu sehen. Über „das kälteste Klo der Welt“ habe ich schon einmal vor einigen Jahren geschrieben:)
Dann geht es schnell wieder rein ins Vorzelt zum Frühstück kochen. Dafür müssen wir auf dem Gaskocher einiges an Schnee schmelzen, denn auch die Thermoskannen wollen für den Tag gefüllt werden. Für diese Tour gönne ich mir nach einer großen Tasse Tee ebenfalls einen kleinen Kaffee.
Zum Essen gibt es Müsli, entweder von realturmat oder selbst zusammen gemischtes. Dazu habe ich kleine Papiertüten mit 125g Müsli gepackt. Einen extra Kick gibt das Milchpulver.
Zum Abspülen hat Angela eine prima Variante gefunden: Löffel und Geschirr werden an der Schneewand in unserem Küchengraben gerieben.
Dann packen wir alles in unsere Säckchen und Beutel und schließlich in die Pulka, am Ende bauen wir das Wechseltent Endeavour ab, indem wir es nur halb zusammenlegen, alle Bogenstangen werden nur zur Hälfte geknickt und verbleiben in den Gestänge Kanälen, so sind wir beim nächsten Aufbau rasend schnell – ich würde sagen, unter 10 Minuten. Pünktlich halb zehn stehen wir immer etwas aufgeklarten Whiteout der Hardangervidda.
Zu dritt schauen wir auf die Karte und besprechen die Marschrichtung für heute. Da wir die Hochebene von Süden nach Norden durchkreuzen, ist die grobe Richtung klar. Dennoch schauen wir nach den Höhenlinien und interessanten Aussichtspunkten, denn hin und wieder machen wir ein Depot, um einzelne Gipfel ohne Gepäck zu erklimmen.
Kleine Pause für einen Schluck Tee nach einer guten Stunde, mittlerweile hat es noch etwas aufgeklart, aber so richtig gemütlich ist es noch nicht, ich setze mich kurz auf den Schlitten mit dem Rücken zum Wind, trinke den Tee und esse eine Handvoll Nüsse. Dann geht es schon weiter.
Diesmal marschiere ich vorne und peile eine kleine Erhebung an, die mir Martin vorhin mit dem Kompass gezeigt an. Es ist ungewöhnlich zu laufen, wenn die Sicht nicht gut ist. Die Balance ist nicht gut und ich habe keine Ahnung, wie weit wir schon gelaufen sind, wie weit mein Peilpunkt entfernt ist und wann die nächste Pause ansteht.
Gegen 13 Uhr machen wir eine etwas längere Rast und tatsächlich können wir uns jetzt in die Sonne setzen. Durch die Reflektion im Schnee sind unsere Gesichter schon nach ein paar Tagen sonnenverbrannt rotbraun. Energie gibt es nun für mich durch fette Haferflockenriegel und Schokolade und wieder ein bisschen warmen Tee. Bei dieser Anstrengung würde ich sicher auf anderen Touren mehr trinken, dennoch gewöhnt sich mein Körper an die Rationen. Dafür gibt es ja abends wieder Suppen und Tee, also auch wieder Flüssigkeit.
Der Abschnitt an diesem Nachmittag ist sonnig. Ich genieße einige Ausblicke und finde auch immer wieder tolle Details in dem windverpressten Schnee. Diese Texturen und Formen in der weißen Landschaft sind für mich sehr inspirierend. Meine Kamera trage ich immer vor dem Bauch und kann sie deshalb schnell hervorholen, um viele Bilder zu machen.
Lager aufschlagen am Nachmittag
Gegen 16 Uhr finden wir einen schön eben Platz zum Zelte aufschlagen, außerdem bietet ein kleiner Hügel Windschutz. Angela und ich sind super schnell mit dem Zeltaufbau und können uns auch sogleich dem Schneemauerbau und dem Klobau widmen.
Das Schippen macht mir viel Freude und erinnert mich an meine Arbeit an den Schneeskulpturen. Auch der körperlich Effekt ist ähnlich. Nachts schläft mir die rechte Hand und auch der Arm ein. Wahrscheinlich durch die Vibration des Schippens hervorgerufen.
Als das Lager steht, macht sich Martin noch einmal zu einer Abendwanderung auf.
Hier in Norwegen ist es nun schon sehr lange hell, erst um 9 Uhr abends ist die Sonne hinterm Horizont.
Ich gönne mir eine erholsame Zeit mit einem spannenden Buch in meinem kuschligen Schlafsack. An anderen Tagen mache ich noch eine Mini-Schneeskulptur oder schlafe einfach ein Stündchen.
Ausserdem kritzele ich einige Bleistiftnotizen in mein Miniatur Tagebuch. Dann ist es bald Abendbrotzeit. Leider kann ich hier nicht rufen: Kinder deckt doch schon mal den Tisch, denn ich muss mich selbst aus dem Schlafsack schälen und wiederum Schnee schmelzen. Das Menü sieht heute vor: Waldpilzsuppe ( heiße Tasse) Pulled Pork ( realturmat) und ein Seelenwärmer Schokopudding als Nachtisch.
Tagesabschluss auf der Wintertour in der Hardangervidda
Zur Vorspeise sitzen wir alle drei in unserem Vorzelt und quatschen über den Tag und unsere gemeinsamen Zukunftspläne. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an unsere Grönlandexpedition denke.
Wir schmelzen Schnee, essen aus dampfenden Beuteln und Schalen, die Wangen glühen und die Augenlider werden Schwer. An jedem Abend bin ich geschafft und müde, dennoch sorgt die Nacht dafür, dass ich gut regenerieren kann.
Die Tage haben einen ganz ähnlichen Tagesablauf, damit ich mich an die einzelne Camps gut erinnern kann, helfen mir die Tagebuchaufzeichnungen und viele Fotos. Denn auch die Landschaft verändert sich nur leicht. Auf Grönland wird es dann die Schönheit der Monotonie sein, die uns fasziniert.
Schon öfter habe ich Wintertouren erlebt und hier im Blog darüber geschrieben. Schau mal hier.
Außerdem kannst du live dabei sein, wie ich mitten in den Vorbereitungen zu unserer Grönland Expedition stecke. Sei gerne auf Patreon mit dabei!
Auf der Wintertour in der Hardangervidda bin ich dankbar für so viele Momente: Stille, Weite, Gespräche und die Kräfte der Natur, die ich spüren darf.