Das Eis der zugefrorenen Ostsee am Strand von Oulu im Winter knirscht, als ich hier für das Nallikari Snowfest ankomme.
Endlose Weite, dunkles Eis, am Horizont einige Eisangler sehe ich als ich auf dem kleinen markanten Leuchtturm von Nallikari stehe und gen Westen schaue. Der bottnische Meerbusen friert hier noch jeden Winter zu. Es ist ja fast ein Binnengewässer.
Kindheitserinnerungen an die zugefrorene Ostsee in Oulu im Winter
Plötzlich fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. Mein Großvater hält meine kleine Hand, als ich über die riesigen Eisschollen balanciere, die sich am Strand von Warnemünde auftürmen. Es muss Ende der Siebziger oder Anfang der Achtziger gewesen sein. Die Eisschollenberge bilden hier gewaltige Bauwerke, die viel größer sind als das fünfjährige Mädchen, das ich damals war.
Das Eis muss bestimmt einen halben Meter dick gewesen sein.
Bis zum Horizont war auch in Warnemünde die Ostsee zugefroren. Das waren noch Winter in Norddeutschland.
Jetzt am Strand von Oulu fühle ich mich wie damals das kleine Mädchen an der Hand vom Opa.
Hier in Nallikari vergnügen sich einige Jugendliche und fahren sogar mit dem Fatbike übers Eis.
Eislaufen auf der zugefrorenen Ostsee in Oulu
Ich allerdings erfülle mir einen lang ersehnten Wunsch. Einmal mit Langlaufschlittschuhen über die endlose Eisweite zu gleiten. Harri @kaffeegram, der Fotograf mit dem wir eben ein Fotoshooting auf dem schwarzen Eis hatten, hat seinen Kofferraum voll mit Requisiten. Zufällig ist auch ein paar Langlaufschlittschuhe mit dazugehörigen Schuhen der Größe 42 dabei. Das paßt perfekt.
Ich trage alles Equipment nebst Stöcken von der Leuchtturmterrasse runter aufs Eis. Harri hilft mir das neue Equipment anzulegen. Die Bindung ist wie eine Langlaufbindung bei Skiern. Außerdem benutze ich auch lange Stöcke, wie beim Skifahren, um mich beim Skaten auf dem Eis abzustoßen. Zunächst fühle ich mich etwas wackelig auf den Beinen. Ich spüre deutlich mein linkes Fußgelenk, was noch nicht so stark ist wie das rechte nach dem Bruch. Dann gleite ich langsam vorwärts, stoße mich mit den Stöcken ab und versuche meinen Rhythmus zu finden. Kleine Dellen oder Schneeberge stören mein Dahingleiten. Dennoch ahne ich wie es sein muss, wenn man so dahin fliegt. Schon seit einiger Zeit verfolge ich Nordicskater auf Instagram und bin immer wieder von den endlosen glatten Flächen, den Spiegelungen und den schönen Bewegungen verzaubert.
Auf diese Art und Weise kann ich den Winter perfekt genießen und mit der Natur hier im Norden verschmelzen. Was für ein besonderer Ort.
Langsam gleite ich auch an den Eisanglern vorbei und bewundere deren Fang. Der liegt tiefgefrostet auf dem blanken Eis. Kleine Barsche, wahrscheinlich nicht der große Catch. Aber ich denke, hier draußen sitzt man nicht, weil man unbedingt Fisch zum Abendbrot haben möchte, sondern weil es so besonders ist, die Ostsee so zu genießen, den weiten Blick, den kalten Wind und auch die Sonne zu spüren und ganz allein mit den Elementen zu sein. Mein Freund Wilfried bezeichnete diese endlose Weite Treffend: Die Schönheit der Monotonie. Was er über das Grönlandeis sagte, gilt auch für die zugefrorene Ostsee.
Unterkunft in einer Villa in Nallikari
Kurz vor Sonnenuntergang kehre ich mit rot glühenden Wangen und müden Knochen zurück in das Feriendorf Nallikari. Meine Unterkunft ist eine der Villen, die wie moderne Kuben in kleinen Gruppen in Strandnähe stehen. Ich drücke mit klammen Fingern meinen elektronischen Türcode und komme in die warme Stube. Die letzten Sonnenstrahlen scheinen noch durch die verglaste Front der Villa.
Ich lege ein paar Birkenholzscheite in den Kamin und zünde sie. Ich liebe den Duft von brennendem Birkenholz. Der Rauch steht für reinigende Erneuerung. Jetzt im Winterfrühling steht der Saft in den Birken kurz vor dem Aufbrechen der ersten Knospen. Ein neuer Zyklus beginnt in der Natur. Die Birken, die auch rund um die Ferienhäuser stehen, könnten finnischer nicht sein. Sie bilden einen lichten Wald und die dünnen Zweige sind leicht gefrostet.
Die Sauna in meiner stylisch eingerichtete Villa braucht nur 30 Minuten zum Warmwerden. Ich schlinge mir ein Handtuch um und wärme mich so richtig auf. Die Finnen haben ja oftmals ein zu praktisches Verhältnis zur Sauna als ich. Aufguss, hauptsache heiß, schwitzen und wieder raus.
Ich liebe es zwischen den Saunagängen vor dem Kamin zu lümmeln, einen Tee zu trinken und zu entspannen. So fühlt sich der Tag gerade wie ein perfekter Urlaubstag an.
Nallikari – eine Insel mit vielen Möglichkeiten und Unterkünften
Nallikari ist eine Insel, die der Stadt Oulu vorgelagert ist und mit verschiedenen Brücken verbunden ist. Ein Campingplatz liegt gleich hinter den Villen. Einige Finnen sind sogar mutige Wintercamper. Im Sommer tobt hier aber sicherlich das bunte Campingleben so dicht am Strand.
Andere kleine Ferienhäuser sehen etwas traditioneller aus, kleine Holzhäuser mit Spitzdach. Das große Sokos Hotel Eden erhebt sich am anderen Ende des Geländes und bietet Schwimmbad und Wellneslandschaft wie auch Hotelzimmer unterschiedlicher Kategorien. Auch dort ist reger Betrieb.
Ein großes Hotel in der Innenstadt wird seit einiger Zeit renoviert, auch deshalb sind hier direkt am Meer noch mehr Gäste zu Besuch.
Oulu im Winter – City of 20 Minutes
Am sonnigen Sonntag spaziere ich von Nallikari aus in die Innenstadt von Oulu. Was für ein wundervoller Wanderweg führt über eine weitere Insel durch lichten winterlichen Wald ins Zentrum „Keskus“.
Ich bin verzaubert und kann gar nicht aufhören zu fotografieren. Die Wintersonne bringt die schneebedeckten Zweige zum Glitzern und der blaue Himmel spiegelt sich im leicht gekräuselten Wasser als ich die Fußgängerbrücke nach Pikisaari überquere.
Hinter der nächsten Brücke sehe ich schon den markanten Leuchtturm und ein paar kleine pittoreske Holzhäuser am Hafenkai von Oulu liegen. Sie sind aus rot gestrichenen massiven Halzbalken gebaut und mehr als einhundert Jahre alt. Früher dienten sie sicher als Lager für Umschlaggüter. Das erkenne ich an den großen Holztoren, die jetzt verschlossen sind. Um elf Uhr machen hier ein paar kleine Lädchen und ein Kaffee auf. Was für eine schöne Kulisse für einen Sonntagskaffee.
Ich entdecke Werbung für Stand Up Paddling und kann mir lebhaft vorstellen, wie die nordicfamily hier im Sommer auf SUPS fast inmitten im Zentrum von Oulu auf dem Wasser unterwegs ist.
Polizist Toripolliisi in Oulu im Winter
Ich schlendere weiter in die Innenstadt, mache das obligatorische Touristenfoto mit der Statue eines Polizisten Toripolliisi, der Marktpolizist. Die Statue wurde von dem Finnen Kaarlo Mikkonen entworfen und im september 1987 erichtet. Seitdem ist es eines der Wahrzeichen der Stadt. Früher sorgten die Marktpolizisten hier auf dem Marktplatz für Ruhe und Ordnung.
In der Innenstadt sind an diesem schönen Sonntag nicht viele Menschen unterwegs, alles geht sehr gemächlich zu. Viele Geschäfte, besonders in der zentralen Einkaufspassage sind ab 11 Uhr geöffnet.
Ich gönne mir im Cafe „Sofia“ in der Fußgängerzone einen Cafe Latte und einen Bagel mit geräuchertem Lachs bevor ich noch einige Souvenirs und Mitbringsel für die Kinder shoppe.
Ich entdecke immer wieder schöne Fotomotive, Alte pastellfarbene Holzhäuser neben moderner Architektur. Hier in der Innenstadt erzählt anscheinend jede Straßenecke ihre eigene Geschichte. Wenn ich nur mehr Zeit hätte, mich in diese Details zu vergucken. Ich verliebe mich regelrecht in das Oulu im Winter.
Später am Abend bin ich im Cafe Rooster mit Päivi verabredet. Dieser beliebte Ort ist in einem der größeren Holzhäuser untergebracht. Über die die Hausecke betreten wir den super gemütlich eingerichteten Laden. Gemusterte Tapeten mit sorgsam ausgesuchten Möbeln und Dekorationen kreieren eine heimelige Atmosphäre. Einheimische scheinen sich hier auf einen Kaffee zu treffen oder auch richtig essen zu gehen. Ich bestelle mir ein lokales Bier und esse einen Salat mit Haloumi und super leckerem Dressing.
Oulu Stadt von Innovation und Wissenschaft
Dabei erfahre ich viel über Oulu in einem Gespräch mit Päivi. Oulu ist ein wahres Zentrum für Wissenschaft und Innovation. Deshalb kommen viele Gäste auch als Lernwillige hierher. Studienreisen sind ein großer Teil des Tourismus hier in Oulu.
Die Finnen sprechen super Englisch und berichten über neueste Technologien und Entwicklungen oder bilden die Gäste zum Thema Nachhaltigkeit weiter.
Oulu gilt als Stadt der 20 Minuten. Die Wege sind also kurz. In 20 Minuten ist man von einem Ort zum anderen gefahren oder ist auch mitten in der Natur oder am Ostsee Strand.
Lokale Busse bringen die Gäste von A nach B. Mit Zügen kann man auch einfach weiter entfernte Orte wie Kemi nordwestlich, oder Rovaniemi Nordöstlich von Oulu erreichen.
Es gibt aber auch genügend Attraktionen im näheren Umland von OUlu im Winter, wie den Geopark Rokua oder die Insel Hailouto. Diese scheint noch ein wahrer Geheimtipp sein. Ein Einheimischer berichtete mir von der urwüchsigen Insel südlich von hier. Es soll noch wilde unberührte Strände geben. Wer hätte das gedacht an der Ostsee.
Es gibt also einiges zu entdecken, wenn ich vielleicht im Sommer mit der ganzen nordicfamily hierher komme.
Oulu erreicht man von Deutschland gut über Helsinki. Es sind ca. 5 Stunden Autofahrt von der finnischen Hauptstadt. Eine Zugfahrt dauert ca. 6 Stunden und ein Flug etwas mehr als eine Stunde.
So wie ich Oulu und die zugefrorene Ostsee gerade kennengelernt habe, ist es ganz klar ein Ort für alle Jahreszeiten.
Ich finde natürlich die zugefrorene Ostsee im Winter als ein ganz besonderes Highlight was mit Kindheitserinnerungen verbunden ist.
Oulu im Winter ist nicht nur eine Reise wert, um Kindheitserinnerungen wach zu halten.