Einen tiefen Eindruck hinterläßt das Canadian Museum for Human Rights in Winnipeg auf uns, als wir uns im Februar einen Wintertag Zeit nehmen, die Stadt zu erkunden.
Als wir uns einen Tag vor dem Winterfestival in Winnipeg Zeit nehmen, die Stadt näher kennen zulernen, fällt uns sofort ein sehr modernes Gebäude , wo Red und Assiniboine River zusammenfließen, auf. Große Glasflächen umschlingen in organischer Weise einen Baukörper aus Kalksandstein. Ein zierlicher Turm reckt sich nach oben.
The Canadian Museum for Human Rights von außen
Thomas und ich gehen über die Brücke am Fluss und umrunden das Gebäude. Unter dem Schnee sind offensichtlich Flächen versteckt, die die Natur Kanadas wiederspiegeln. Einst bedeckte das Präriegras das gesamte Land. Das Museum der Menschenrechte wurde 2014 nach 13 jähriger Planungsphase eröffnet.
Es ist noch niegelnagelneu und es bleibt zu hoffen, dass der helle Kalksandstein an großen Teilen der Fassade auch so schön bleibt und nicht durch den vielen Schnee und Regen übermäßig instand gehalten werden muss.
Das Gebäude befindet sich auf einem bedeutenden Stück Land „Treaty One territory“ , wo sich seit Jahrtausenden die Menschen treffen, first Nations und Métis, um wichtige Entscheidungen zu fällen. Noch heute werden auf der Terrasse des Gebäudes Zeremonien abgehalten.
Der Baukörper ist weithin sichtbar und eine Ikone der Stadt Winnipeg mit einer klaren Formensprache und einer Botschaft. Das Museum ist das einzige Nationalmuseum außerhalb der Hauptstadtregion.
Als wir auf die Eingangsseite gelangen, haben wir zunächst den Eindruck erst einmal unter die Erde zu gehen. Das Gebäude liegt an einem Hang und wir beginnen es quasi an den Wurzeln zu erschließen. Eine große dunkle Halle empfängt uns. Auf einer Fläche werden in verschiedenen Sprachen Willkommensbotschaften projiziert.
Das Museum für Menschenrechte von Innen
Wir sind gespannt, was uns eine junge Kanadierin während einer fast zweistündigen Führung über das Gebäude und den Inhalt erzählt. Sie heißt Yashila Chavee Ramdoyal und hat ihre Arbeit bei unserer Führung grandiös gemacht.
Die quirlige junge Frau beginnt mit einer Geschichte, die sich vor einigen Jahren in Nova Scotia in Atlantik Kanada zugetragen hat. Ein neuer Mitschüler kam eines Tages mit einem pinken T-Shirt in die Schule und wurde alsbald gehänselt und als „schwule Sau“ beschimpft. Die zwei älteren Schüler David Shepherd und Travis Price wollten das nicht hinnehmen, dass so etwas an ihrer Schule passiert. Das Ergebnis eines langen Telefonates war, dass am nächsten Tag alle anderen Schüler in einem pinken Shirt in der Schule erschienen. Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Neuen aus. Dies ist eine kleine Geschichte über Diskriminierung im Alltag.
Die gesamte Ausstellung ist mit solchen Geschichten aus der Gegenwart und Vergangenheit gespickt. Es werden nicht nur die großen bekannten Menschenrechtler wie Martin Luther King oder Nelson Mandela beleuchtet. Menschenrechtsverletzungen und Diskrimierung finden hier und heute statt. Wie es zu Faschismus und Genoziden kommen konnte, erklären die verschiedenen Themenbereiche in den Galerien bzw. Etagen.
Licht als Zeichen der Hoffnung im Museum
Unser Guide Yashila führt uns in die unterschiedlichen Galerien. Sie fordert uns auf die Geheimnisse des Gebäudes selbst zu entdecken.
Zunächst müssen wir jedoch ein Augenmerk auf die Architektur legen. In der dunklen Eingangshalle gibt es nicht viel Tageslicht, aber aus einem kleinen Quadrat weiter oben dringen ein paar Lichtstrahlen hinein. Hoffnung.
Immer heller wird es, als wir das Gebäude erschließen und final am Ende des Nachmittags den Turm der Hoffnung erklimmen.
Die junge Kanadierin ist sehr einfühlsam und geht auf unsere Fragestellungen ein, lässt uns Zeit, bestimmt Themen alleine zu verdauen und interaktive Ausstellungselemente auszuprobieren.
Technische Installationen im Museum for Human Rights in Winnipeg
In einer Galerie stehen wir vor über zwei Meter großen Büchern in denen sich Menschen mit ihren Geschichten vorstellen. Vertikale Displays zeigen die Personen in Lebensgröße und man sieht sich ihnen wie in einem persönlichen Gespräch gegenüber. Die Art und Weise wie die Inhalte hier wiedergegeben werden ist schon sehr eindrucksvoll, wenn man auch manchmal das Gefühl hat, dass die Technik etwas überwältigend ist.
An anderer Stelle geraten kleine und große Besucher ins Spielen. Auf einer Tanzfläche sind um jeden Besucher herum farbige Flächen projiziert. Ich bewege mich und plötzlich ist meine „farbige Blase“ an Thomas Amöbe angedockt. Wir beobachten, wie sich auch andere Besucher ganz spielerisch bewegen, irgendwie zwischen Yoga, Tanz und Twister kommunizieren die Besucher, auch völlig Fremde miteinander. Die Projektion wird durch Wärmesensoren an der Decke beeinflusst, erklärt unser Yashila.
Kunst indigener Bevölkerungsgruppen
In dieser Galerie wird auch ein rotes Gewand sehr deutlich hervorgehoben. Es ist eigentlich fast in allen Etagen gut zu sehen, aber hier wird es gerade besonders klar. Die Installation heißt „Trace“. Indigene Kunst nimmt im Museum der Menschenrechte in Winnipeg einen großen Stellenwert ein. Die Künstlerin Rebecca Belmore hat 14 000 handgepreßte Tonklumpen aufgefädelt. Aus diesen „Perlen“ besteht das Gewand, welches sich über mehrere Etagen erstreckt.
Sehr beeidruckend, wie die Skulptur mit der Architektur verschmilzt.
Einerseits habe ich das Gefühl von einem großen ganzheitlichen Konzept, vertiefe mich dann doch immer wieder in die Details der Architektur und der Installationen.
Die Verbindungsrampen zwischen den Galerien aus einem heilenden Stein
Sobald wir eine Galerie für uns erschlossen haben, führt uns eine leicht ansteigende Rampe in ein neues Geschoss. Die Rampen sind mit hinterleuchtetem Alabaster verkleidet. Meine Hand gleitet über die weiche und warme Oberfläche des exotischen Steins. Der Architekt hat den Stein mit dem Hintergedanken verbaut, dass dieser Heilung erzeugt. In jeder Etage Schmerz und Gewalt. Verbindende Rampen heilen mit ihrem sanften Licht und dem schimmernden Naturmaterial. Daran muss man wirklich glauben. Ich streiche jedenfalls über die Oberfläche und denke: Wie schön warm, weich und natürlich. Gar nicht wie ein Stein.
Wenn man in dem Bewegungsraum in die Höhe schaut und das Gewirr aus verbindenden Rampen verfolgt, ist man beeindruckt. Dieser Blickwinkel, auf den uns unser die junge Frau aufmerksam macht, ist wirklich besonders und ein Kunstwerk in sich.
Ich genieße als Fotografin und Innenarchitektin die verschiedenen Blickwinkel und Raumvariationen.
Der Turm der Hoffnung im Museum for Human Rights
Bald sind wir in der obersten Galerie. Thomas hat etwas Höhenangst und wählt den Fahrstuhl. Ich steige Treppenstufe um Stufe höher in den Turm der Hoffnung. Alles wir durchsichtiger, gläserner und lichter. Oben drängen sich viele junge Menschen.
Von hier hat man einen fantastischen Blick auf die Stadt Winnipeg. Überall liegt ein bisschen Schnee, der große Fluss ist präsent. Es ist alle sso licht und hell, als stünde man im Freien.
Das Museum schließt gleich und ich muss den Weg wieder nach unten an treten.
Letztendlich sind wir in der Zeit mit unserem Guide hier einige Kilometer zu Fuß gegangen. Zeit, die man aber auch benötigt um diese schweren Themen zu verarbeiten. Die Stimmung ist etwas gedrückt, aber auch wieder hoffnungsvoll. Es gibt solche Ausstellungen, Initiativen, Demonstrationen und ein großes Bewusstsein bei vielen Menschen , die sich gegen Menschenrechtsverletzungen einsetzen.
Ich bin am Ende des Tages froh, dass Kunst dazu beitragen kann, ein Bewusstsein für viele Themen zu schaffen oder zu verstärken.
Denn die Kunst der Einheimischen berührt mich in so einer Ausstellung am meisten. wenn dann Inhalt und Architektur auch noch sinnhaft zusammen kommt, wie im Museum of Human Rights in Winnipeg, dann ist das Erlebnis schön ganzheitlich.
Auch wenn der Museumsbau viel Kritik erfahren hat, und einige Themen in der Diskussion sind, hat das Museum for Human Rights einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Meine Empfehlung ist, sich für dieses Thema viel Zeit zu nehmen. Außerdem ist der Besuch mit Jugendlichen in Begleitung ihrer Eltern empfehlenswert.
Wir danken Yashila Chavee Ramdoyal sehr für die intensive Führung, für die vielen Geschichten und Details, die uns sicher alleine nicht aufgefallen wären.
Danke an das Museum for Human Rights (CMHR) für die Einladung zu diesem tiefgreifenden Erlebnis.