Ich hatte bisher nicht viel vom Azoren-tief gehört. Muss ein seltenes Phänomen sein. Gleich morgens werden wir Zeugen eben diesen seltenen Ereignisses. Es regnet. Nein, damit wird man dem Wetter nicht gerecht. Es schüttet, es stürmt, es blitzt und donnert. Keine halben Sachen. Die Wetter-App zeigt 70 l/m² an. Glaubwürdig, wenn man aus dem Fenster guckt.
So verbringen wir den Vormittag gemütlich vor dem Ofen. Friedlich krabbelt das Baby und malt die Tochter. Mama macht meinen Brei und Papa spielt mal Memory. Auch schön. Bei so einem Wetter muss man wirklich kein schlechtes Gewissen haben ein Stubenhocker zu sein. Als das Unwetter sich legt und in normalen Regen übergeht, bei immer noch 18 Grad beschließen wir doch noch irgendwas zu unternehmen. Ziel: Riberia Grande. Ist die nächst größere Stadt und hat zumindest einen größeren Supermarkt zu bieten, wie uns gesagt wurde. Es fehlen doch noch einige Kleinigkeiten und vor allem wollen wir mal Grillen auf unserer luxuriösen überdachten Terrasse mit extra Grill-Ofen.
Durch verschiedene Wetterzonen legen wir die 30 Kilometer schnell zurück und mogeln uns dann durch die typischen sehr engen Gassen langsam zum Strand-Bereich von Ribera Grande. Wie Köln und viele Südländische Städte sind auch hier die Strassen ganz offensichtlich nicht ursprünglich für Autoverkehr gebaut und so muss man sehr aufpassen, dass man nicht an irgendetwas oder irgendwem hängen bleibt.
Am Strand ist der Wellengang beeindruckend. Riesige Brecher, ideal zum Surfen, wie es scheint. Macht aber niemand. Entlang der tobenden Brandung suchen wir uns ein Restaurant mit schöner Aussicht aufs Meer. Dieses ist alles andere als edel, sondern gehört wohl eher zum ans Meer angeschlossenem Schwimmbad, das aber schon zu hatte. Wir bestellen Fischsuppe (Geertje), Hamburger (Jan) und Omlette (Merle). Morten bekommt seine Kartoffel mit Möhren, die ihm aber diesmal überhaupt nicht behagen und er sich wieder bei uns beteiligt. Geertje wird mies launig als uns klar wird, dass das Rauchverbot im Restaurant offensichtlich nicht europaweit durchgesetzt wurde. Aber was soll man machen. Das Restaurant hat einen Zigarettenautomaten was wir am beim Reinkommen nicht bemerkten und die Aschenbecher wurden erst rausgeholt als die ersten Tanten sich eine Zigarette anmachten. Da wir schon bestellt hatten, beschließen wir demonstrativ das Fenster auf zu reißen. Mehr geht halt nicht. Dass sich keiner von sich aus Gedanken macht, dass man in der Gegenwart eines essenden Baby nicht raucht, verwundert dennoch.
Wo hört südländischer Lebensstil auf und fängt Rücksichtslosigkeit an? Oder sind wir einfach selber Schuld, weil wir uns in das Restaurant gesetzt haben? Dies sollen Philosophen ein anderes Mal entscheiden. Wir essen schnell und Merle entdeckt ihre Leidenschaft für Omlette.
Daher kaufen wir beim örtlichen Supermarkt auch schnell noch eine Menge Eier, weil wir Merle versprechen müssen, dass es zu Hause auch Omlette gibt. Die Brei und Glässchen-Auswahl ist bescheiden. Geertje vermutet, dass der Übergang von der Brust zum drei Gänge Menü in Portugal besonders kurz gehalten wird.
Wir kaufen auch Fisch und Fleisch (mehr nach Optik als nach Wissen, worum es sich genau handelt) und eilen mit Bastel-Papier unterm Arm (Merle will Halloween basteln) zur Kasse.
Beobachtung: Zwei Dinge fallen mir dabei auf. Erstens habe ich Sowohl in Ribera grande als auch in Nordest, ein Phänomen beobachtet, dass ich Maskulines-Altersgruppen beschränkte-Schwatz-Gruppen-Bildung nennen möchte. Männer einer Altersgruppe (also nur alte oder nur 30-40 Jährige) stehen ohne ersichtlichen Grund vor Häusern herum, gaffen in die Gegend und schwatzen mit großen Gesten.). Der Gestalt hab ich das in Berlin nicht erlebt. Oder wenn dann als Bedrohlich empfunden. Wenn man in Deutschland auf was wartet, dann im Warteraum, hohl auf sein Handy oder in die Luft starrend. Ist das der hohen Arbeitslosigkeit geschuldet, oder ist das der Lifestyle der Selbständigen?
Im starken Kontrast dazu: Ich habe noch nie so viele Angestellte pro Quadratmeter in einem Supermarkt gesehen. Locker 2 pro Gang insgesamt bestimmt mehr als 20. Interessanter Weise alles Frauen unter 1,70 Meter. Ob es einen Zusammenhang mit oben beschriebenem Phänomen gibt, lässt sich noch nicht sagen.
Die Frauen im Arbeiten, die Männer rauchend und quatschen? Historische Umkehrung?
Nach erfolgreichem Beutezug fuhren dann nicht zum örtlichen Museum und auch nicht zur
Keramikfabrik, was meine Schuld war. Ich Banause interessiere mich nämlich einfach nicht für Teller und Tassen, egal ob brandneu oder steinalt. Stattdessen fuhren wir in zunehmendem Regen Richtung eines Miradouru, was Aussichtspunkt heißt, wurde uns gesagt. Steile Strasse bei Nässe runter bis zu einem Punkt mit tollem Blick auf einen Wasserfall die Steilküste herab. Ich macht mir schon Sorgen die steile Strasse nicht mehr hoch zu kommen und der Regen begann zu peitschen. Im Zweiten Gang ging es erfolgreich bergan.
Den Rest des Tages verbrachten wir zuhause vor dem Ofen. Gemütlich, während draußen der Sturm tobt, bastelte Merle eine Helloween-Deko für unser Dachzimmer. Und tatsächlich legt sich der Sturm langsam, so, dass wir das gekaufte Fleisch in den steinernen Grill-Ofen, der zu unserer überdachten Terrasse gehörte, stecken konnten. Da hier die Temperaturen immer mild sind, auch bei „schlechtem Wetter“ konnten wir so unser Abendessen nach draußen verlegen.
Es kommt doch immer drauf an, was man draus macht.